Zusammenfassung
Schweigepflicht wird meist als Synonym für den strafrechtlichen Tatbestand der "Verletzung von Privatgeheimnissen" verwendet.
Sozialversicherung: Die Verletzung von Privatgeheimnissen wird nach § 203 StGB unter Strafe gestellt. Auf § 203 StGB verweist § 65 SGB VIII.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Urteil vom 19.7.1972 (BVerfG, Urteil v. 19.7.1972, 2 BvL 7/71) ein generelles Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter und Sozialpädagogen verneint.
Es besteht aber ein "relatives Zeugnisverweigerungsrecht" aus § 35 Abs. 3 SGB I.
1 Verletzung von Privatgeheimnissen
Im Rahmen ihrer Arbeit werden den Beschäftigten in der Kinder- und Jugendhilfe tagtäglich persönliche Daten (sog. Sozialdaten) anvertraut. So entsteht zwischen dem Hilfesuchenden und dem Beschäftigten ein Vertrauensverhältnis, das Grundlage für eine gelingende Hilfe ist. Dieses Vertrauensverhältnis schützt der Staat durch verschiedene Rechtsvorschriften, in deren Zentrum die strafbewehrte "Verletzung von Privatgeheimnissen" – kurz Schweigepflicht – steht.
In bestimmten Situationen müssen Menschen sich professionelle Hilfe holen und dazu intime private Details offenlegen. Nur dann können z. B. Ärzte, Rechtsanwälte oder Sozialarbeiter ihre Hilfe wirksam leisten. Mit dem strafrechtlichen Tatbestand wird somit einerseits die Individualsphäre des Einzelnen geschützt. Es wird aber auch sichergestellt, dass bestimmte Berufe überhaupt sinnvoll ausgeübt werden können.
1.1 Berufsgruppen
Nur wer die geheimen Daten im Rahmen ("als") seiner beruflichen Tätigkeit erfahren hat, kann sich strafbar machen. Das Gesetz nennt die betroffenen Berufsgruppen; dazu gehören u. a.
- Ärzte,
- Berufspsychologen,
- Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater sowie Berater für Suchtfragen in einer anerkannten Beratungsstelle,
- Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz
- staatlich anerkannte Sozialarbeiter bzw. Sozialpädagogen.
Nicht aber:
- Erzieher,
- Heilpädagogen,
- Diplompädagogen.
1.2 Informationen weitergeben trotz Schweigepflicht
Die Schweigepflicht gilt nur, soweit keine Offenbarungsbefugnisse bestehen.
Offenbarungsbefugnisse sind:
Einwilligung: Der Betroffene hat eingewilligt, dass sein Geheimnis offenbart werden darf. Hier muss im Einzelfall geprüft werden, ob die Einwilligung wirksam ist.
Die strafrechtliche Einwilligung ist auch mündlich und ohne die Informationspflichten wirksam.
Mitteilungspflicht: Gesetzliche Vorschriften
verpflichten das Jugendamt, die Daten an Dritte weiterzugeben. Zu beachten ist, dass diese höherrangig als die Schweigepflicht sein müssen. Dies ist z. B. der Fall bei der Mitteilungspflicht nach § 57 SGB VIII, aber nicht bei der beamtenrechtlichen Gehorsamspflicht nach den Beamtengesetzen.
Dagegen sind höherrangig die Aufsichts-, Kontroll-und Rechnungsprüfungspflichten.
2 Zeugnisverweigerungsrecht
Wer in einem Strafverfahren als Zeuge geladen wird, ist grundsätzlich zur Aussage verpflichtet. Die Schweigepflicht kann aber Auswirkungen auf die Zeugnispflicht haben. So haben Mitglieder oder Beauftragte einer anerkannten Beratungsstelle nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz und Berater für Fragen der Betäubungsmittelabhängigkeit in einer anerkannten Beratungsstelle ein generelles Zeugnisverweigerungsrecht. Es gilt für alles, was ihnen im Rahmen des Berufs anvertraut wurde. Zu beachten ist für Sozialarbeiter und Sozialpädagogen aber das "relative Zeugnisverweigerungsrecht".