Entscheidungsstichwort (Thema)
Bedarfsgemeinschaft mit Kind nur eines Lebenspartners
Orientierungssatz
1. Die Annahme eine Bedarfsgemeinschaft setzt das Bestehen einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft voraus, welche über eine reine Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht. Es muss der wechselseitige Wille erkennbar sein, Verantwortung füreinander zu tragen.
2. Auf das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht kommt es nicht an, sondern nur auf die tatsächlichen Verhältnisse. Deshalb zählen zur Bedarfsgemeinschaft auch die Kinder nur eines Partners. Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen hiergegen nicht.
Tenor
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Kosten sind nicht zu erstatten.
3. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt N. wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Antragsteller (ASt), geb. 1990 und 1993 sind Schüler. Sie leben gemeinsam mit ihrer Mutter und deren Lebenspartner N. D. in einem Haushalt. Bis 31.10.2006 bezogen alle vier Personen Leistungen nach dem SGB II.
Ab dem 01.11.2006 verneinte die Antragsgegnerin (Ag'in) einen Anspruch und lehnte den Fortzahlungsantrag der ASt ab (Bescheid vom 3.11.2006). Seit dem 1.8.2006 sei das Einkommen des Lebenspartners bei allen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft, also auch den ASt zu berücksichtigen. Dies führe zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit.
Den Widerspruch begründeten die ASt unter Hinweis auf Art 6 des Grundgesetzes (GG). Der Lebenspartner werde zum Unterhalt für Kinder verpflichtet, denen er nicht unterhaltspflichtig sei. Die Ag'in wies den Widerspruch zurück (Bescheid vom 27.12.2006). Ein Klageverfahren ist bisher nicht anhängig.
Die ASt tragen vor, der Lebenspartner ihrer Mutter sei nicht bereit, ihnen Unterhalt zu leisten. Sie könnten den Unterhaltsanspruch auch nicht durchsetzen, da er nicht bestehe. Sie beantragen sinngemäß,
die Ag'in im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen nach dem SGB II ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen des Herrn N. D. zu zahlen.
Die Ag'in beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Ohne Anrechnung des Einkommens von Herrn D. hätten die ASt einen Anspruch von 169,65 EUR (D. X.) bzw. 130,46 EUR (N. X. ). Die Ag'in habe aber geltendes Recht anzuwenden. Nach § 9 Abs. 2 SGB II sei das Einkommen von Herrn D. anzurechnen und bestehe kein Anspruch.
II.
Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind nicht gegeben.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d.h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Der geltend gemachte Hilfeanspruch (Anordnungsanspruch) und die besonderen Gründe für die Notwendigkeit der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund), die Eilbedürftigkeit, sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Ein Anordnungsanspruch ist nicht glaubhaft gemacht. Die Einkommensverhältnisse der Ast, ihrer Mutter und des Partners der Mutter sind geklärt. Nach zutreffender und von den ASt nicht bestrittener Berechnung besteht kein Anspruch, wenn das Einkommen des Herrn D. auf den Leistungsanspruch der ASt anzurechnen ist. Dies ist aber nach § 9 Abs 2 in der seit 1.8.2006 geltenden Fassung der Fall.
Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II gehört zur sog. Bedarfsgemeinschaft als Partner der erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen (hier: der Mutter der Ast.) eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfsbedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (§ 7 in der ab dem 1. August 2006 geltenden Fassung, vgl. Art. 1 Nr. 7 a) und b) sowie Art. 16 Abs. 1 des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006, BGBl. I, 1706f, 1720). Bei unverheirateten Kindern, die mit in der Bedarfsgemeinschaft eines Elternteils mit einem Partner leben, sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit auch das Einkommen und Vermögen des Partners des Elternteils zu berücksichtigen.
Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Entscheidungen vom 17. November 1992 und 2. September 2004 - 1 BvR 1962/04) ist unter o.g. Beziehung eine Lebensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die ...