Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhaus. Höhe der Vergütung bei künstlicher Beatmung

 

Orientierungssatz

1. Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten entsteht nach § 109 Abs 4 SGB 5 iVm § 39 Abs 1 S 2 SGB 5 unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten (vgl ua BSG vom 23.7.2002 - B 3 KR 64/01 R = BSGE 90, 1 = SozR 3-2500 § 112 Nr 3).

2. Die Abrechenbarkeit von Leistungen der künstlichen Beatmung nach der Fallpauschale DRG E 40 C setzt voraus, dass der Patient mehr als 24 Stunden beatmet wurde.

3. Bei mehreren Beatmungsperioden während eines Krankenhausaufenthaltes ist zunächst die Gesamtbeatmungszeit zu ermitteln. Die Dauer der Entwöhnung wird bei der Berechnung der Beatmungsdauer eines Patienten hinzugezählt, ebenso Phasen der Spontanatmung beatmungsfreier Intervalle.

4. Bei der Beatmung des Versicherten auf der Intensivstation wechseln sich Phasen der maschinellen Beatmung mit beatmungsfreien Intervallen ab. Auch diese sind bei der Berechnung der Beatmungsdauer hinzuzuzählen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 14.10.2019; Aktenzeichen B 1 KR 85/18 B)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird auf 4.406,97 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Restvergütung einer stationären Krankenhausbehandlung in Höhe von 4.406,97 EUR.

Die Beklagte betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde die bei der Klägerin versicherte I. T., geb. 00.00.0000 (im Folgenden: Versicherte), vom 20.06. bis 02.07.2010 stationär behandelt. Sie war wegen einer respiratorischen Globalinsuffizienz und zunehmender Dyspnoe (Atemnot) aufgenommen worden. Zu diesem Zeitpunkt war eine chronisch obstruktive Lungenkrankheit (COPD) nicht bekannt; diese wurde erst während des Krankenhausaufenthalts festgestellt. Die Versicherte erhielt eine maschinelle nicht-invasive Beatmung (NIV) mit einem BiPAP-Gerät (BiPAP = Biphasic Positive Airway Pressure). Ausweislich des Beatmungsprotokolls der Intensivstation, das am 20.06.2010 um 12.10 Uhr beginnt und am 22.06.2010 um 06.45 Uhr endet, wurde die Versicherte erstmals am 20.06.2010 ab 12.10 Uhr und letztmals am 21.06.2010 bis 14.00 Uhr maschinell beatmet. In diesem Zeitraum von ca. 26 Stunden waren mehrere Spontanatmungsphasen; erst am 21.06.2010 ab 14.00 Uhr atmete die Versicherte wieder spontan und dauerhaft ohne maschinelle Unterstützung.

Die Beklagte stellte der Klägerin am 09.07.2010 (Rechnungsdatum: 08.07.2010) für die Behandlung der Versicherten unter Zugrundelegung der DRG-Fallpauschale E40C ("Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane mit Beatmung ) 24 Stunden, ohne intensivmedizinische Komplexbehandlung im Kindesalter, mehr als 72 Stunden, ohne komplizierende Diagnose, ohne äußerst schwere CC, außer bei Para-/Tetraplegie") 13.053,62 EUR in Rechnung. Die Zahl der Beatmungsstunden gab sie mit 26 an.

Die Klägerin beglich die Rechnung und veranlasste eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK), insbesondere zu der Frage, ob die abgerechneten Beatmungsstunden korrekt kodiert worden waren. Der MDK kam am 18.08.2011 zum Ergebnis, es seien nur (aufgerundet) 17 Beatmungsstunden medizinisch nachvollziehbar; laut Pflegebericht habe die künstliche Beatmung am 20.06.2010 von 12.00 bis 15.30 Uhr, von 16.00 bis 18.30 Uhr und vom 22.30 bis 24.00 Uhr, am 21.06.2010 von 00.00 bis 07.00 Uhr und von 10.00 bis 12.00 Uhr gedauert, insgesamt 16,5 Stunden; da die Versicherte nicht mindestens 24 Stunden am Stück beatmet worden sei, seien die NIV-Intervalle einzeln zu zählen und nicht im Rahmen eines "Weanings" (Entwöhnung) zu verstehen, sodass die beatmungsfreien Intervalle nicht mitgezählt würden.

Gestützt hierauf teilte die Klägerin der Beklagten am 01.09.2011 mit, dass die Krankenhausbehandlung der Versicherten nach der DRG-Fallpauschale E65C (chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung ohne äußerst schwere CC, ohne starre Bronchoskopie, ohne komplizierende Diagnose, ohne FEV1 ( 35 %, Alter ) 0 Jahre"). Daraus ergebe sich eine Überzahlung von 4.406,97 EUR, deren Rückzahlung bis 22.09.2011 erbeten werde. Es folgte eine weitere Korrespondenz zwischen der Beklagten und der Klägerin bzw. dem MDK, die zu keiner Einigung führte.

Am 03.06.2014 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 4.406,97 EUR erhoben. Sie beruft sich auf die Deutschen Kodierrichtlinien (DKR). Gemäß der DKR 1001 sei bei mehreren Beatmungsperioden die Gesamtbeatmungsdauer zu bestimmen und anschließend auf volle Stunden aufzurunden. Die Berechnung der Dauer der Beatmung ende durch Extubation, Beendigung der Beatmung nach einer Periode der Entwöhnung, Entlassung, Tod oder Verlegung. Beatmungsfreie Intervalle seien ausschließlich im Rahmen der Entwöhnung (Weaning) hinzuzählen. Eine Entwöhnung habe im streitigen Behandlungsfall nicht vorgelegen; die Versicherte habe eine insuffiziente Atmung gehabt und phasenweise der maschinellen Unt...

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