Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgung mit einem Sportrollstuhl durch die Krankenkasse
Orientierungssatz
1. Es ist u. a. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung, die Grundbedürfnisse eines behinderten Menschen zu sichern. Bei deren Befriedigung geht es lediglich um einen Basisausgleich und nicht um ein vollständiges Gleichziehen mit den Möglichkeiten eines Gesunden. Die sportliche Betätigung im Freizeitbereich wird von den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens nicht erfasst. Eine darüber hinaus gehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist Aufgabe anderer Sozialleistungsträger.
2. Die sportliche Betätigung eines Behinderten stellt kein von der Krankenversicherung durch die Gewährung von Hilfsmitteln zu befriedigendes Grundbedürfnis dar. Die Krankenkasse ist deshalb nicht verpflichtet, dem Versicherten einen Aktivrollstuhl zur Ausübung des Behindertensports zur Verfügung zu stellen.
3. Auch die sportliche Betätigung in der Gruppe zur Stärkung der Psyche Behinderter begründet keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Sportrollstuhl zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Versorgung mit einem zur Ausübung von Rollstuhl-Sport geeigneten Aktivrollstuhl.
Der am 00.00.1983 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er ist nach einer Halswirbelsäulenverletzung querschnittsgelähmt ab C 6/7. Seit 2002 ist er mit einem Aktivrollstuhl der Firma N., seit 2004 mit einem Aktivrollstuhl (Modell "Küschall Champion") der Firma J. versorgt. Den älteren Rollstuhl benutzt er in der Wohnung (1. Etage), den jüngeren Rollstuhl im Alltag; mit diesem betreibt er seit Januar 2007 auch Rollstuhlsport. Der Kläger nimmt seit Juli 2006 am Rehabilitations-(Reha-)sport teil, was von der Beklagten gefördert wird. Seit Januar 2007 ist er Mitglied des Rollstuhl-Sport-Club (RSC) B., wo er regelmäßig (zweimal pro Woche) am Reha-Sport (Rollstuhlhockey, Badminton u.a.) teilnimmt.
Am 27.12.2006 ging bei der Beklagten eine Hilfsmittelverordnung des Hausarztes des Klägers, Dr. C., vom 15.11.2006 bzgl. eines "Aktivrollstuhl" ein, desweiteren ein Kostenvoranschlag des Sanitätshauses E. vom 27.12.2006 über einen "Aktivrollstuhl Speedy A 1" der Firma Q. nebst Zubehör, der sich auf insgesamt 3.052,14 EUR belief. In dem Kostenvoranschlag führte das Sanitätshaus aus, der Kläger benötige einen Sportrollstuhl, mit dem er am "Hockey-Sport" teilnehmen könne.
Durch Bescheid vom 02.01.2007 lehnte die Beklagte die Versorgung mit einem Sportrollstuhl ab mit der Begründung, für die Ausübung von Behindertensport sei ein Aktiv- bzw. Adaptivrollstuhl ausreichend; ein solcher sei Ende 2004 zur Verfügung gestellt worden; ein spezieller Rollstuhl zur Ausübung von Leistungssport zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung scheide aus. Dagegen legte der Kläger am 12.01.2007 Widerspruch ein.
Nach Einholung einer MDK-Kurzstellungnahme lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 17.01.2007 erneut die Übernahme der Kosten eines Sportrollstuhles ab.
Der Kläger hielt seinen Widerspruch aufrecht. Er vertrat die Auffassung, sportliche Betätigung zähle zu den Grundbedürfnissen des Menschen. Gerade für behinderte Rollstuhlnutzer sei es von elementarer Bedeutung, die Psyche durch den Sport in der Gruppe mit Gleichbetroffenen zu stärken. Hierzu verwies er auf die Rahmenvereinbarung über Rehabilitationssport und Funktionstraining vom 01.10.2003. Die Beklagte wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 10.05.2007 zurück. Sie meinte, Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung sei der Behinderungsausgleich unmittelbar beeinträchtigter Körperfunktionen im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse im Sinne eines Basisausgleichs; darüber hinausgehende soziale und berufliche Rehabilitation sei Aufgabe anderer Leistungsträger. Die sportliche Betätigung im Freizeitbereich werde vom Begriff des vitalen Lebensbedürfnisses bzw. des allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens nicht erfasst. Selbst wenn sportliche Betätigung zu den Grundbedürfnissen zählen würde, begründe dies keinen Anspruch auf einen Sportrollstuhl. Querschnittsgelähmte könnten auch ohne spezielle Sportrollstühle Sport in Form von Gymnastik oder Hanteltraining betreiben.
Dagegen hat der Kläger am 14.05.2007 Klage erhoben. Er vertieft und ergänzt seine Auffassung, sportliche Betätigung sei ein Grundbedürfnis, zu dessen Befriedigung die gesetzliche Krankenversicherung Hilfsmittel zu leisten habe. Er verweist u.a. auf die Auffassung des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) im Urteil vom 05.02.2004 (L 16 KR 102/03) und im Verfahren L 5 KR 141/06 (Sitzungsniederschrift vom 10.05.2007). Hockey sei als Reha-Sport anerkannt. Der Kläger behauptet, mit dem vorhandenen Aktivrollstuhl sei eine sportliche Betätigung nicht möglich. Normale Alltagsrollstühle seien dafür weder geeignet noch zugelassen. Sie bedingten Verletzu...