Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachentrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen bei Unwirksamkeit des Tarifvertrags zur Arbeitnehmerüberlassung
Orientierungssatz
1. Leiharbeitnehmer haben nach §§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 2 AÜG Anspruch auf Arbeitsentgelt in gleicher Weise wie vergleichbare Arbeitnehmer des Entleihers. Abweichende Regelungen in Arbeitsverträgen sind nur dann wirksam, wenn die abweichende Regelung in einem Tarifvertrag getroffen wurde. Bei Unwirksamkeit des Tarifvertrags kann der Leiharbeitnehmer vom Verleiher die Entlohnung für vergleichbare im Beschäftigungsbetrieb tätige Arbeitnehmer verlangen.
2. Der Beitragsanspruch des Sozialversicherungsträgers nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB 4 bemisst sich nach dem geschuldeten und nicht nach dem tatsächlich gezahlten Entgelt. Der Arbeitgeber hat bei Unwirksamkeit des Tarifvertrags nach § 28e Abs. 1 S. 1 SGB 4 den Gesamtsozialversicherungsbeitrag in gleicher Höhe wie für die vergleichbar im Beschäftigungsbetrieb tätigen Mitarbeiter zu entrichten.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 9.794,81 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten wegen der Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung in Höhe von 9.794,81 EUR für den Zeitraum 01.01.2010 bis 30.04.2011.
Die Klägerin befindet sich seit ihrer Auflösung am 01.09.2016 in Liquidation. Sie betrieb auf Grundlage einer Erlaubnis nach § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ein Unternehmen zur gewerblichen Arbeitnehmerüberlassung. Sie firmierte bis 20.05.2015 unter dem Namen T. GmbH in S. und hat ihren Geschäftssitz nach X verlegt. Zum Liquidator ist nach dem Gesellschaftsbeschluss vom 01.09.2016 der frühere Geschäftsführer Herr X. R. bestimmt. Die Beklagte führte im Zeitraum 17.03.2014 bis 10.12.2014 eine Betriebsprüfung bei der Klägerin durch. Hierbei stellte sie fest, dass Arbeitsverträge zwischen der Klägerin und einer Vielzahl von Leiharbeitnehmern auf Tarifverträge zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) verwiesen und die Vereinbarungen in den Tarifverträgen der Lohnbemessung zu Grunde gelegt wurden. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 17.12.2014 mit, dass nach dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14.12.2010 die Tarifunfähigkeit der CGZP feststehe, so dass die Leiharbeitnehmer ergänzende Lohnansprüche hätten und die Beklagte zur ergänzenden Beitragserhebung berechtigt sei. Die Klägerin teilte hierzu mit, dass sie sich auf Vertrauensschutz berufe und davon ausgehe, dass die Tarifunfähigkeit der CGZP erst mit der Entscheidung durch das Bundesarbeitsgericht eingetreten sei. Sie legte beispielhaft eine Zusatzvereinbarung vom 15.12.2009 zu einem Arbeitsvertrag vom 21.09.2009 vor und erklärte, in der Zeit vom 01.01.2010 bis 30.04.2011 derartige Zusatzvereinbarungen mit den Leiharbeitnehmern getroffen zu haben. Hierin heißt es in Auszügen: "( ) Um weiter die gesetzlichen Anforderungen des § 3 Abs. 3 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz zu erfüllen, möchten die Parteien die zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister e. V. (AMP) abgeschlossenen Tarifverträge zur Anwendung bringen. Für den Fall der Unwirksamkeit der zwischen der AMP und der CGZP abgeschlossenen Tarifverträge finden die zwischen dem IGZ und dem DGB gültigen Tarifverträge ab dem Zeitpunkt der Feststellung der Unwirksamkeit der erstgenannten Tarifverträge Anwendung. Daher schließen die Parteien folgende Vereinbarung: Die Parteien sind sich darüber einig, dass auf das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis vom 21.09.2009 ab 01.01.2010 die zwischen der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) und dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleiter (AMP) abgeschlossenen Tarifverträge vom 29.11.2004, nämlich: Manteltarifvertrag (MTV), Entgeltrahmenvereinbarung (ERTV), Entgelttarifvertrag Ost und West, sowie Beschäftigungssicherungsvertrag in der jeweils gültigen Fassung Anwendung findet."
Ergänzend erklärte die Klägerin eine weitere beispielhafte Zusatzvereinbarung vom 13.04.2011 zum Arbeitsvertrag vom 21.09.2009 vor, nach welcher ab 01.05.2011 auf das Arbeitsverhältnis die Tarifverträge zwischen dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und dem Arbeitgeberverband Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) Anwendung findet.
Mit Bescheid vom 23.02.2015 stellte die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Nachforderung in Höhe von 9.794,81 EUR fest. Sie teilte mit, dass auf Grund der Tarifunfähigkeit der CGZP und den aus § 10 Abs. 4 AÜG resultierenden weiteren Ansprüchen der Leiharbeitnehmer auf Arbeitsentgelt weitere Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen wären. Das vergleichsweise heranzuziehende Arbeitsentgelt der Arbeitnehmer des Entleihe...