Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung
Leitsatz (amtlich)
Die Leistungsbeschränkungs-Vorschrift des § 52 SGB 5 räumt den Krankenkassen ein eigenständiges Prüfungs- und Beurteilungsrecht bzgl der Tatbestandsmerkmale "Verbrechen" oder "vorsätzliches Vergehen" ein.
Orientierungssatz
Die Unschuldsvermutung des Art 6 Abs 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention steht dem eigenständigen Prüfungs- und Beurteilungsrecht der Krankenkassen nicht entgegen.
Tatbestand
Mit der Klage vom 21.06.2004 gegen den Bescheid der Beklagten vom 21.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2004 fordert der Kläger Krankengeld für die Zeit vom 26.12.2003 bis zum 30.04.2004; streitig ist das Recht der Beklagten, im Rahmen der Leistungsbeschränkungs-Vorschrift des § 52 des Sozialgesetzbuches - 5. Buch/Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V - eigenständig die Voraussetzungen für die Annahme eines "vorsätzlichen Vergehens" zu prüfen und festzustellen.
Der 1972 geborene Kläger - bosnischer Herkunft - ist am 13.11.2003 im Zusammenhang mit einer gewaltsamen Verwüstung eines Billiard-Lokals, an der er und Arbeitskollegen der Firma M. Schadstofftechnik GmbH & Co. KG beteiligt waren, durch einen Pistolenschuss in die rechte Hand und durch Billiardstock-Schläge verletzt und vom 14.11. bis zum 27.11.2003 wegen Schussverletzung rechter Ringfinger, Platzwunde am Hinterkopf, Jochbeinfraktur und knöcherner Augenhöhlenverletzung stationär in den Universitätskliniken M. und A. behandelt worden. Arbeitsunfähigkeit ist ihm ab dem 14.11.2003 bescheinigt worden. Er hat Entgeltfortzahlung bis zum 25.12.2003 bezogen. Sein Beschäftigungsverhältnis hat am 30.04.2004 geendet. Er hat ab dem 22.01.2004 Sozialhilfe und ab dem 01.05.2004 Arbeitslosengeld bezogen.
Nach Beiziehung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakten der StA M. und Auswertung der darin enthaltenen Beschuldigten- und Zeugenaussagen lehnte die Beklagte mit den oben genannten Bescheiden die Gewährung von Krankengeld ab dem 26.11.2003 ab, weil der Kläger ab dem 14.11.2003 aufgrund eines vorsätzlich begangenen Vergehens arbeitsunfähig erkrankt sei; bei gewaltsamem Vorgehen gegen den Gastwirt und die Gaststätteneinrichtung habe er damit rechnen müssen, dass der Gastwirt sich und seine Einrichtung gegen das gewaltsame Zerstören schützen werde; der Tatbestand des § 52 SGB V setze nicht ausdrücklich voraus, dass das vorsätzliche Vergehen durch ein strafgerichtliches Urteil festgestellt worden sei; im Rahmen des eingeräumten Ermessens würden die Krankenversicherungsleistungen auf die Sachleistungen zur Wiederherstellung der Gesundheit beschränkt und die Gewährung von Krankengeld abgelehnt.
Mit der hiergegen gerichteten Klage verfolgt der Kläger sein Leistungsbegehren weiter. Er sei nicht Täter, sondern Opfer des Gastwirtes B. M., der wegen der an ihm begangenen gefährlichen Körperverletzung mittels Waffe zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten auf Bewährung verurteilt worden sei. Er habe weder Sachen noch Personen angegriffen und auch keinen dahingehenden Vorsatz gehabt. Er sei nur dabei gewesen, um auf seinen Freund, den bei der Gaststättenverwüstung vom Gastwirt getöteten B. S. u, mäßigend einzuwirken.
Während des Klageverfahrens ist der Kläger durch Strafbefehl des AG Mannheim vom 22.11.2004 wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu 8 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und zu einer Geldbuße von EUR 1.000,- verurteilt worden; er sei mit einer Axt bewaffnet bei der Zerstörung von Spielgeräten, Computern und der Gaststättentheke durch die Mittäter dabeigewesen, um diese zu schützen und bei Gegenwehr eingreifen zu können. In der aufgrund des eingelegten Einspruchs durchgeführten mündlichen Ver-handlung am 23.06.2005 hat der Kläger seine Bewaffnung mit einer Axt eingeräumt. Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des angeklagten Klägers ist das Strafverfahren gemäß § 153 Abs. 2 Strafprozessordnung - StPO - eingestellt worden, laut schriftlicher Erläuterung des Oberstaatsanwalts Ullrich vom 12.07.2005 wegen der langwierigen Verletzungsfolgen und der Annahme, dass von einem Freispruch des Klägers nicht habe ausgegangen werden können.
Nach Ansicht des Klägers muss der angefochtene Bescheid der Beklagten schon deshalb aufgehoben werden, weil sie bei Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens die Verfahrenseinstellung im Strafverfahren nicht berücksichtigt habe und deshalb die vollständige Versagung des Krankengeldes ermessensfehlerhaft sei.
Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 21.01.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.05.2004 zu verurteilen, ihm Krankengeld für die Zeit vom 26.12.2003 bis zum 30.04.2004 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf den Inhalt der von ihr erteilten Bescheide. Die persönlichen Umstände des Klägers - Verletzungsfolgen, Sozialhilfebedürftigkeit und Unterhaltspflicht gegenüber zwei Kindern - habe sie durch ungekürzte Sachleistungsgewährung, insbesondere die ...