Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung einer Kapitalleistung aus einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung geschlossenen Lebensversicherung
Orientierungssatz
1. Bei einer ausgezahlten Kapitalleistung aus einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung geschlossenen Lebensversicherung handelt es sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung i. S. von § 1 BetrAVG. Betriebliche Altersversorgung liegt auch dann vor, wenn eine sog. Direktversicherung abgeschlossen worden ist.
2. Die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen der betrieblichen Altersversorgung zur Krankenversicherung ergibt sich aus § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 i. V. m. § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB 5.
3. Die Heranziehung von Versorgungsbezügen, wie die einmalige Kapitalzahlung aus der betrieblichen Altersversorgung in Form der nicht wiederkehrenden Leistung, zur Beitragspflicht ist mit dem GG vereinbar. Wird eine einmalige Kapitalleistung ausgezahlt, so gilt nach § 229 Abs. 1 S. 3 SGB 5 ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag.
4. Leistungen aus einer Direktversicherung verlieren ihren Charakter als Versorgungsbezug nicht deshalb, weil sie teilweise oder ganz auf Leistungen des Arbeitnehmers bzw. des Bezugsberechtigten beruhen. Das gilt auch dann, wenn nach einem Arbeitgeberwechsel oder nach Beendigung der Erwerbstätigkeit die Beiträge allein vom Beschäftigten als Versicherungsnehmer getragen werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Beitragspflicht zur Krankenversicherung (KV) und Pflegeversicherung (PV) einer Kapitalleistung aus einer im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung geschlossenen Lebensversicherung.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist seit dem 11.04.2006 bei der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert. Am 20.12.1979 schlossen die damalige Arbeitgeberin des Klägers, die K. AG, als Versicherungsnehmerin und die A. Lebensversicherung AG als Versicherer eine Kapitallebensversicherung (Versicherungsschein-Nr. 5401712) zu Gunsten des Klägers als versicherter Person ab. Versicherungsbeginn war der 01.01.1980. In einer am 29.12.1979 zwischen dem Kläger und der K. AG getroffenen Vereinbarung heißt es, dass der Arbeitgeber für den Kläger diese Lebensversicherung als Direktversicherung auf der Grundlage des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) schließt. Der (damalige) Jahresbeitrag von 1.200,00 DM wurde vom Bruttolohn des Klägers einbehalten und vom Arbeitgeber direkt an den Versicherer gezahlt. Zum 01.01.1992 fand ein Arbeitgeberwechsel statt; der Kläger wechselte von der K. AG zur L. AG; der Lebensversicherungsvertrag ging auf den Kläger als Versicherungsnehmer über, der nunmehr die Beiträge selbst zahlte.
Mit Schreiben vom 11.12.2009 zeigte die "Z. Lebensversicherung AG" als Rechtsnachfolgerin der A. Lebensversicherung AG die Auszahlung einer Kapitalleistung aus dem Versicherungsvertrag zum 01.01.2010 in Höhe von 42.266,31 EUR an, verbunden mit dem Hinweis, es handele sich um eine Leistung der betrieblichen Altersversorgung.
Durch Bescheid vom 21.12.2009 stellte die Beklagte - zugleich im Namen der Pflegekasse - die Beitragspflicht der ausgezahlten Kapitalleistung fest. Für die Beitragsbemessung gelte 1/120 der Leistung (= 352,22 EUR) als monatlicher Zahlbetrag, d.h. die Kapitalleistung werde auf zehn Jahre umgelegt. Ab 01.02.2010 betrage der Beitrag zur KV 52,48 EUR, zur PV 6,87 EUR, insgesamt monatlich 59,35 EUR.
Den dagegen am 20.01.2010 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 20.04.2010 mit ausführlicher Begründung unter Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften sowie die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts zurück.
Dagegen hat der Kläger am 21.05.2010 Klage erhoben. Er trägt vor, er habe 1979 nicht wissen können, dass zum 01.01.2004 ein Gesetz eingeführt werde, mit dem seine Leistung aus der betrieblichen Altersversorgung der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) unterworfen werde. Für vor dem 01.01.2004 geschlossene Verträge müsse Vertrauensschutz gelten, anderenfalls ein echte verfassungswidrige Rückwirkung vorläge. Des weiteren sei zu berücksichtigen, dass ab 01.01.1992 die Beiträge aus Einkünften bezahlt worden seien, die bereits der Sozialversicherungspflicht unterlägen hätten. Hätte er auf die Kapitalleistung Sozialversicherungsbeiträge zu leisten, würde es zu einer doppelten Sozialversicherungspflicht kommen; darin läge ein Verstoß gegen die Eigentumsgarantie des Artikel 14 Grundgesetz (GG). Der Kläger verweist im Übrigen auf ein beim BVerfG noch anhängiges Verfahren 1 BvR 739/08.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 21.12.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.04.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verbleibt bei ihrer in den angefochtenen Bescheide...