Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausabrechnung. Prüfung durch den MDK. Aufwandspauschale. keine Differenzierung zwischen "Auffälligkeitsprüfung" und Prüfung der "sachlich-rechnerischen Richtigkeit" mittels Datenerhebung beim Krankenhaus. Klarstellung durch § 275 Abs 1c S 4 SGB 5 nach dem KHSG auch für abgeschlossene Prüffälle
Orientierungssatz
1. Die vom 1. Senat des BSG erstmals in drei Urteilen vom 1.7.2014 (B 1 KR 29/13 R = BSGE 116, 165 = SozR 4-2500 § 301 Nr 4, B 1 KR 1/13 R = BSGE 116, 146 = SozR 4-2500 § 115b Nr 5 und B 1 KR 48/12 R = BSGE 116, 130 = SozR 4-2500 § 276 Nr 6) vorgenommene Unterscheidung einer "Auffälligkeitsprüfung" und einer Prüfung der "sachlich-rechnerischen Richtigkeit" von Krankenhausabrechnungen findet im Gesetz keine Stütze. Insbesondere fehlt es für eine Prüfung der "sachlich-rechnerischen Richtigkeit" von Krankenhausabrechnungen durch den MDK unter Erhebung von Daten beim Krankenhaus außerhalb des Prüfregime des § 275 Abs 1, Abs 1c SGB 5 an jeglicher gesetzlicher oder sonstigen rechtlichen Grundlage.
2. Mit der durch das Gesetz zur Reform der Strukturen der Krankenhausversorgung (Krankenhausstrukturgesetz - KHSG) vom 10.12.2015 = BGBl I 2015, 2229 eingeführten Regelung des § 275 Abs 1c S 4 SGB 5 wird kein neues Recht für künftige, ab 1.1.2016 zu behandelnden Fälle geschaffen, sondern - auch für abgeschlossene Prüffälle im Sinne von § 275 Abs 1c S 1 bis 3 SGB 5 - klargestellt, dass als Prüfung nach Satz 1 jede Prüfung einer Krankenhausabrechnung gilt, mit der die Krankenkasse den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordert.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird auf 26.300,00 EUR festgesetzt.
Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung von in 77 Krankhausbehandlungsfällen gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) gezahlten Aufwandspauschalen á 300,00 EUR, insgesamt 23.100,00 EUR hat.
Die Beklagte betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort behandelte sie in den Jahren 2011 bis 2015 u.a. auch 75 Versicherte der Klägerin, die diese im Klageverfahren benannt hat, davon zwei jeweils zweimal. Die Beklagte übermittelte der Klägerin für jeden der 77 Fälle eine Vergütungsrechnung nebst den erforderlichen Daten gemäß § 301 SGB V. &61485; In allen streitbefangenen 77 Fällen beauftragte die Klägerin den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der jeweiligen Behandlung, davon in 34 Fällen nach dem 01.07.2014. Der MDK zeigte der Beklagten den jeweiligen Prüfauftrag mit folgenden - so oder ähnlich formulierten - Hinweisen an: "Uns liegt ein Auftrag der Krankenkasse der/des o.g. Versicherten zur Begutachtung der o.g. stationären Behandlung nach § 275 Abs. 1 SGB V vor." und "Für Krankenhausbehandlungen nach § 39 SGB V kommen wir unserer Benachrichtigungspflicht gemäß § 275 Abs. 1c SGB V nach." &61485; In allen streitbefangenen 77 Fällen erhob der MDK im Rahmen der erteilten Prüfaufträge bei der Beklagten weitere - über diejenigen nach § 301 SGB V hinausgehende - Daten, indem er diverse medizinische Unterlagen von der Beklagten beizog; dies waren - je nach Prüfbedarf - z.B. Krankenhausentlassungsberichte, Anamnesebögen, Aufnahmebefunde, ärztliche Verlaufsdokumentationen, Pflegeverlaufsdokumentationen, Operationsberichte/ Eingriffsprotokolle, Anästhesieprotokolle, Beatmungsprotokolle, Laborberichte, Befundberichte, Lagerungspläne, Fieberkurven, Intensivkurven. &61485; In allen 77 streitbefangenen Fällen führte die Prüfung des MDK nicht zu einer Minderung des Abrechnungsbetrages und zahlte die Klägerin der Beklagten jeweils eine Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1 Satz 3 SGB V in Höhe von 300,00 EUR, insgesamt 23.100,00 EUR.
Mit Schreiben vom 11.08.2015 forderte die Klägerin von der Beklagten die in den 77 und weiteren 66 Behandlungsfällen gezahlten Aufwandspauschalen in Höhe von "42.700,00 EUR" (143 x 300,00 EUR = 42.900,00 EUR) zurück mit der Begründung, die Zahlungen seien zu Unrecht erfolgt. Sie verwies auf die Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 01.07.2014 (B 1 KR 29/13 R) und 14.10.2014 (B 1 KR 26/13 R); sie meinte, darin habe das BSG die Rechnungsprüfungen des MDK in unterschiedliche Kategorien eingeteilt. Die Auffälligkeitsprüfung, in der es um die Wirtschaftlichkeit (in der Regel um Notwendigkeit und Dauer) einer stationären Krankenhausbehandlung gehe, grenze sich von der sachlich-rechnerischen Prüfung ab, bei der es um die Überprüfung der Korrektheit der vom Krankenhaus übermittelten § 301-Daten gehe, die für die Bestimmung der abzurechnenden Entgelte (z.B. DRG, ZE) maßgebend seien. Das BSG habe festgestellt, dass auf eine rein sachlich-rechnerische Prüfung § 275 Abs. 1c SGB V keine Anwendung finde; weder gelte die Prüffrist von sechs Wochen nach Eingang der Abrechnung bei ...