Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung für das Asthma-Arzneimittel Alvesco®. keine Begrenzung auf den Festbetrag
Orientierungssatz
Im Einzelfall muss die Krankenkasse ihren Versicherten ein Arzneimittel ohne Beschränkung auf den Festbetrag zur Verfügung stellen, wenn dieses das einzige zur Krankenbehandlung des Versicherten ausreichende, zweckmäßige und erforderliche Arzneimittel darstellt und es dazu kein gesundheitlich zumutbares, zum Festbetrag erhältliches Arzneimittel gibt. Dies trifft im Fall der Behandlung einer Asthmaerkrankung mit Alvesco® zu (vgl BVerfG vom 17.12.2002 - 1 BvL 28/95 = BVerfGE 106, 275 = SozR 3-2500 § 35 Nr 2).
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 08,.12.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.03.2010 verurteilt, für den Kläger künftig die Kosten für das Arzneimittel Alvesco® nach vertragsärztlicher Verordnung auch insoweit zu übernehmen, als sie den Festbetrag der Festbetragsgruppe "Glucocorticoide, inhalativ, oral" Stufe 2, Gruppe 1 und die gesetzliche Zuzahlung übersteigen.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten des Arzneimittels Alvesco® über den Festbetrag hinaus.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger leidet u.a. an Asthma bronchiale. Er wird deshalb mit inhalativem Cortison behandelt, seit 2005 mit Alvesco®. Es handelt sich dabei um ein zugelassenes Asthma-Arzneimittel mit dem Cortison-Wirkstoff Ciclesonid. Dieser gehört aufgrund des Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) vom 21.06.2007 seit dem 29.08.2007 zur Festbetragsgruppe "Glucocorticoide, inhalativ, oral" der Stufe 2, Gruppe 1. Es betragen für Alvesco® Festbetrag Apotheken VK Mehrkosten über FB 60 Hübe/160&956;g 22,91 EUR 38,35 EUR 15,44 EUR 120 Hübe/80&956;g 24,61 EUR 59,30 EUR 34,69 EUR 120 Hübe/120&956;g 33,39 EUR 66,82 EUR 33,43 EUR.
Am 06.08.2008 beantragte der Kläger die Übernahme der vollständigen Kosten für das Medikament Alvesco® unter Vorlage einer Bescheinigung seines behandelnden Internisten und Lungenfacharztes Dr. X. Dieser teilte mit, beim Kläger seien zahlreiche topische Steroide ausgetestet worden; trotz umfangreicher Mundhygiene, Überprüfung der korrekten Inhalationstechnik und Versuch der Optimierung durch den Einsatz anderer Geräte sei massiver Mundsoor aufgetreten; nur Alvesco® könne der Kläger ohne jegliche Nebenwirkungen inhalieren; aus medizinischer Sicht sei die Einnahme von Alvesco® als Mittel der Wahl ohne Alternativmöglichkeiten zwingend erforderlich. Durch Bescheid vom 04.11.2008 übernahm die Beklagte die Kosten für das Arzneimittel Alvesco® bis zum 31.07.2009.
Am 23.09.2009 stellte der Kläger einen Folgeantrag auf Übernahme der vollständigen Kosten für Alvesco® unter Vorlage befürwortender Bescheinigungen des behandelnden Facharztes. Nunmehr lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 08.12.2009, den der Kläger am 21.02.2010 erhielt, die Übernahme der Kosten für Alvesco® über den Festbetrag hinaus ab mit der Begründung, aus den eingereichten Unterlagen seien keine medizinischen Gesichtspunkte zu erkennen, die im Einzelfall eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Den dagegen am 09.03.2010 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 19.05.2010 zurück.
Dagegen hat der Kläger am 21.06.2010 Klage erhoben. Er trägt vor, er habe seit 2004 verschiedene Arzneimittel mit anderen Corticosteroiden als dem in Alvesco® enthaltenen Wirkstoff Ciclesonid getestet. Trotz Mundhygiene und korrekter Inhalationstechnik sei immer wieder Mundsoor aufgetreten; antimykotische Präparate hätten keinen Erfolg gebracht. Erst seit der Einnahme von Alvesco® sei kein Mundsoor mehr aufgetreten. Alle anderen Arzneimittel, die zum Festbetrag erhältlich seien, enthielten Wirkstoffe (Budesonid, Beclometason oder Fluticason), die er nicht vertrage bzw. auf die er mit Nebenwirkungen reagiere. In der Vergangenheit habe er durch finanzielle Unterstützung seines Vaters die Mehrkosten für das Arzneimittel Alvesco® über den Festbetrag hinaus abfangen können; diese Möglichkeit gebe es für die Zukunft nicht mehr.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.12.2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.03.201 zu verurteilen, künftig die Kosten für das Arzneimittel Alvesco® nach vertragsärztlicher Verordnung auch insoweit zu übernehmen, als sie den Festbetrag der Festbetragsgruppe "Glucocorticoide, inhalativ, oral" der Stufe 2, Gruppe 1 und die gesetzliche Zuzahlung übersteigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat eine Vielzahl von Arzneimitteln aufgelistet, die nach ihrer Auffassung zur Krankenbehandlung des Klägers zum Festbetrag verordnet werden können. Sie meint, der behandelnde Arzt habe sich keine Mühe gemacht, sich mit zuzahlungsfreien Alternativen zur Behandlung des Klägers zu beschäftigen. Die Beklagte räumt ein, dass keine der Festbetragsarzneimittel den Wirkstoff Ciclesonid enth...