Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Arzneimittel. Zuzahlung des Versicherten richtet sich nach tatsächlich abgegebenen Packungen
Orientierungssatz
Bei Arzneimitteln, die in einer verordneten Großpackung weder vorrätig noch lieferbar sind, ist eine Apotheke berechtigt, das Arzneimittel in mehreren kleineren Packungen an den Versicherten abzugeben. Die zu leistende Zuzahlung richtet sich jedoch nicht nach der ursprünglich verordneten Packungsgröße, sondern nach der Anzahl und Größe der tatsächlich abgegeben Packungen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Der Streitwert wird auf 6,98 EUR festgesetzt.
Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte durch ein für sie handelndes Abrechnungszentrum berechtigt ist, gegen eine Forderung der Klägerin aus Arzneimittellieferungen mit einem Rückzahlungsanspruch in Höhe von 6,98 EUR aufzurechnen, weil die Klägerin diesen Betrag nicht von einem Versicherten der Beklagten als (weitere) Zuzahlung einbehalten und mit ihrem Vergütungsanspruch gegenüber der Beklagten verrechnet hat.
Die Klägerin ist Inhaberin einer Apotheke, Mitglied im Apothekerverband Nordrhein und zur Abgabe verordneter Arzneimittel an Versicherte gesetzlicher Krankenkassen berechtigt und verpflichtet. Am 10.12.2012 legte ein Versicherter der Beklagten eine am selben Tag ausgestellte vertragsärztliche Verordnung von drei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, nämlich - Atmadisc 50µg/250µg Diskus PUL N3 3 x 60 ST, - Berotec N 100 µg DOS N1 10 ML, - PredniHEXAL 5mg Tabletten TAB N1 20 ST in der Apotheke der Klägerin vor. Zu diesem Zeitpunkt war die 3er-Packung (N3) des Arzneimittels "Atmadisc 50/250 Diskus PUL" nicht vorrätig und weder seitens des Pharmagroßhandels noch seitens des Herstellers bis 31.12.2012 lieferbar. Da der Versicherte das Medikament umgehend benötigte, gab die Apotheke anstelle der rezeptierten Packungsgröße drei Einzelpackungen (N1) "Atmadisc 50/250 Diskus PUL", dazu die beiden anderen verordneten Arzneimittel an den Versicherten ab. Sie vermerkte auf dem Rezept bezüglich Atmadisc: "3er z. Zt. v. Herst. defekt; da sofort nötig 3 x OP". Am Abgabetag (10.12.2012) betrugen für das Arzneimittel der Apothekenabgabepreis der Zuzahlungsbetrag Atmadisc (N3) 150,05 EUR 10,00 EUR Berotec (N1) 16,49 EUR 5,00 EUR PredniHexal (N1) 11,36 EUR 5,00 EUR 177,90 EUR 20,00 EUR
Für eine Einzelpackung "Atmadisc 50/250 Diskus PUL" (N1) betrugen der Apothekenabgabepreis 56,62 EUR, der sich daraus ergebende Zuzahlungsbetrag 5,66 EUR; für die drei abgegebenen Einzelpackungen betrugen also der Apothekenabgabepreis insgesamt 169, 86 EUR, der Zuzahlungsbetrag 16,98 EUR. Die Klägerin forderte von dem - nicht zuzahlungsbefreiten - Versicherten jedoch nicht den Zuzahlungsbetrag von 26,98 EUR, wie er sich für die abgegebenen Arzneimittelpackungen errechnete, sondern den Zuzahlungsbetrag von 20,00 EUR, wie er zu zahlen gewesen wäre, wenn alle Arzneimittel in den rezeptierten Packungsgrößen lieferbar gewesen wären. Auf dem Rezept druckte sie in den entsprechenden Feldern die Pharmazentralnummern (PZN) und die Abgabepreise der abgegebenen Arzneimittelpackungen aus, im Feld "Zuzahlung" jedoch den Betrag von 20,00 EUR für die verordneten Packungsgrößen. Die Klägerin legte das Rezept vom 10.12.2012 ihrem Apothekenrechenzentrum vor, das den Beleg mit weiteren Daten an das für die Beklagte tätige Abrechnungszentrum Emmendingen weiterleitete; die Forderung der Apotheke wurde zunächst - unter Verrechnung der einbehaltenen Zuzahlung des Versicherten von 20,00 EUR und nach Abzug der Apotheken- und Herstellerrabatte - beglichen. Nach Prüfung der Abrechnung teilte das Abrechnungszentrum der Klägerin mit Schreiben vom 11.06.2013 mit, dass ein Zuzahlungsfehler vorliege und von dem abgerechneten Betrag 6,98 EUR abzusetzen seien; dieser Berichtigungsbetrag werde mit der nächsten Zahlung verrechnet. Dagegen legte die Klägerin am 08.07.2013 Einspruch ein. Sie verwies auf § 31 Abs. 3 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), wonach zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung "verordneten" Arzneimittel als Zuzahlung der sich aus § 61 Satz 1 SGB V ergebende Betrag zu zahlen sei. Verordnet worden sei eine 3er-Packung Atmadisc, die aber beim Hersteller "defekt" (nicht lieferbar) gewesen sei, weshalb sie im Hinblick auf den sofortigen Bedarf stattdessen drei Einzelpackungen abgegeben habe. Sie sehe es nicht ein, dass ihre Patienten dafür bluten müssten, dass die Industrie nicht in der Lage sei, stets alle Medikamente vorrätig zu halten. Noch am selben Tag (08.07.2013) wies das Abrechnungszentrum den Einspruch zurück. Es teilte der Klägerin mit, dass bei Lieferschwierigkeiten der Großpackungen und dadurch bedingter Abgabe mehrerer kleinerer Packungen dem Patienten ein Vielfaches der Zuzahlung zu berechnen sei; alternativ dazu sei die einmalige Abgabe der nächst kleineren Packung zu sehen; dem Kunden entstünde a...