Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des Elterngeldes. Elterngeld. Berechnung. maßgebliches Einkommen. Zuflussprinzip. Steuerklassenwechsel

 

Orientierungssatz

1. Das für die Bewilligung von Elterngeld nach § 2 Abs. 1 BEEG maßgebliche Einkommen, von dem in der Regel 67 % den Elterngeldbetrag ergeben, ist das Nettoeinkommen.

2. Für die Berechnung des Elterngeldes gilt das vom BSG modifizierte strenge Zuflussprinzip. Danach ist bei der Bemessung auch zunächst vorenthaltenes Arbeitsentgelt zu berücksichtigen, das für den maßgeblichen Bemessungszeitraum bei Verzug des Arbeitgebers zur nachträglichen Vertragserfüllung zugeflossen ist.

3. Bei der Bemessung des Elterngeldes ist ein vorgenommener Steuerklassenwechsel zu berücksichtigen, weil die tatsächlich entrichtete Lohnsteuer maßgeblich ist. Ein Steuerklassenwechsel ist selbst dann nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er allein mit dem Ziel erfolgt ist, später höheres Elterngeld zu erhalten.

 

Tenor

Der Beklagte wird unter entsprechender Abänderung des Bescheides des Versorgungsamtes B. vom 28.02.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung N. vom 16.06.2008 verurteilt, der Klägerin weiteres Elterngeld in Höhe von 275,31 EUR zu zahlen. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des Elterngeldes; die Klägerin beansprucht eine Nachzahlung von 275,31 EUR.

Die 1984 geborene Klägerin ist seit 09.03.2007 verheiratet. Sie gebar am 06.11.2007 das Kind N ... Ihr Ehemann ist als Elektriker beschäftigt. Die Klägerin ist Krankenpflegehelferin und war seit 15.07.2006 bei einem Pflegedienst beschäftigt; sie erhielt ein monatliches Bruttogehalt von 1.800,00 EUR. Im Verlauf der Schwangerschaft sprach ihr behandelnder Arzt am 16.03.2007 ein Beschäftigungsverbot nach dem Mutterschutzgesetz für jede Tätigkeit aus. Bereits seit Februar 2007 zahlte der Arbeitgeber kein Arbeitsentgelt mehr. Durch rechtskräftige Urteile des Arbeitsgerichts Aachen vom 04.06. und 09.08.2007 (8 Ca 1487/07 d) für die Monate Februar bis Juni 2007, vom 23.08.2007 (8 Ca 2920/07 d) für Juli 2007 und vom 23.10.2007 (5 Ca 3426/07 d) für August und September 2007 wurde der Arbeitgeber zur Zahlung des Arbeitsentgelts und Erteilung der entsprechenden Lohnabrechnungen verurteilt. Vom 19.09.2007 bis 01.01.2008 erhielt die Klägerin von ihrer Krankenkasse Mutterschaftsgeld, kalendertäglich 13,00 EUR. Durch rechtskräftiges Urteil vom 21.01.2008 verurteilte das Arbeitsgericht Aachen (8 Ca 4517/07 d) den Arbeitgeber, der Klägerin Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für Oktober 2007 bis 01.01.2008 zu zahlen. Ab Juli 2007 hatten die Eheleute die Steuerklassen gewechselt, die Klägerin von Steuerklasse I in Steuerklasse V. Der Steuerklassenwechsel erfolgte, weil der Arbeitgeber der Klägerin kein Gehalt mehr gezahlt hatte und damit der Ehemann der Klägerin netto mehr Arbeitsentgelt ausgezahlt erhielt.

Am 10.12.2007 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat des Kindes. Sie legte hierzu Verdienstbescheinigungen für die Monate Juli 2006 bis Juli 2007 vor.

Durch Bescheid vom 28.02.2008 bewilligte das Versorgungsamt B. Elterngeld für den beantragten Zeitraum in Höhe von monatlich 679,29 EUR; auf die Leistung für den ersten und zweiten Lebensmonat rechnete es das gezahlte Mutterschaftsgeld und den der Klägerin zustehenden Zuschuss des Arbeitgebers zum Mutterschaftsgeld an. Es errechnete für den ersten Lebensmonat 0 EUR, für den zweiten Lebensmonat 67,65 EUR und für den dritten bis zwölften Lebensmonat jeweils den vollen Elterngeldmonatsbetrag. Insgesamt erhielt die Klägerin Elterngeld in Höhe von 6.880,55 EUR. Der Bemessung des monatlichen Elterngeldbetrages legte das Versorgungsamt das Einkommen der elf Monate von September 2006 bis Juli 2007 für den 12-monatigen Bemessungszeitraum von September 2006 bis August 2007 zugrunde. Das Arbeitsentgelt für August 2007 berücksichtigte es nicht, weil nur 11 Gehaltsmitteilungen vorlagen und das Augustgehalt nicht gezahlt worden war. Den Steuerklassenwechsel ab Juli 2007 ließ es ebenfalls nicht in die Berechnung einfließen.

Den dagegen am 06.03.2008 eingelegten Widerspruch wies die Bezirksregierung Münster durch Widerspruchsbescheid vom 16.06.2008 zurück mit der Begründung, Nachzahlungen auf den Arbeitslohn, die nicht im selben Kalenderjahr erfolgten, könnten der Bemessung des Elterngeldes nicht zugrundegelegt werden.

Bereits am 05.06.2008 hat die Klägerin Untätigkeitsklage erhoben. Sie hat diese nach Erlass des Widerspruchsbescheides als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage fortgeführt. Die Klägerin ist der Auffassung, der Bemessung des Elterngeldes müsse der Verdienst aller zwölf Monate des Bemessungszeitraums, also auch das Arbeitsentgelt für August 2007 zugrundegelegt werden. Sie hat mitgeteilt, dass auch aus dem arbeitsgerichtlichen Urteil bezüglich des Augustgehaltes die Zwangsvollstreckung habe eingeleitet werden müssen; der Arbeitgeber ...

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