Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Kosten der Unterkunft und Heizung. Angemessenheitsprüfung. Berücksichtigung kalter Betriebskosten bei der Ermittlung angemessener Unterkunftskosten
Orientierungssatz
1. Jedenfalls nach der im Land Nordrhein-Westfalen geltenden Gesetzeslage ist im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende eine Wohnungsgröße von 65 Quadratmetern bei einem Zwei-Personen-Haushalt angemessen.
2. Bei der Ermittlung abstrakt angemessener Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende sind neben den reinen Mietkosten auch die kalten Betriebskosten zu berücksichtigen, die typischerweise bei der Anmietung einer Wohnung anfallen.
3. Soweit ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der abstrakten Angemessenheit von Unterkunftskosten im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende lediglich die Grundmiete ermittelt hat, sind die kalten Betriebskosten zur Beurteilung der Angemessenheit von Unterkunftskosten zu ergänzen. Dazu kann auf einen lokalen oder regionalen Betriebskostenspiegel (hier: Betriebskostenspiegel des Deutschen Mieterbundes für Nordrhein-Westfalen) zurückgegriffen werden.
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, den Klägerinnen in Bedarfsgemeinschaft unter Aufhebung des Bescheides vom 20.12.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2013 für die streitgegenständlichen 16 Monate zwischen Juli 2011 bis einschließlich Dezember 2012 monatlich 418,60 EUR als Kosten der Unterkunft zu bewilligen.
Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen dem Grunde nach.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der den Klägerinnen im Zeitraum von Juli 2011 bis Dezember 2012 - ausgenommen der Monate November und Dezember 2011 Dezember 2011, in denen die Klägerinnen nicht im Leistungsbezug standen - zu bewilligenden Kosten der Unterkunft streitig.
Mit Bescheiden vom 22.08.2011 (Zeitraum Juli - Oktober 2011), 23.01.2012 (Zeitraum Januar bis Juni 2012) und 29.06.2012 (Zeitraum Juli bis Dezember 2012) bewilligte der Beklagte den Klägerinnen jeweils Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 330 EUR monatlich. Tatsächlich bezahlten die Klägerinnen 360 EUR Grundmiete und 80 EUR Nebenkosten, also 440 EUR monatlich, für eine 78 Quadratmeter (qm) große Wohnung im W-straße 00 in N.
Aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Feststellung der Angemessenheit der Wohnflächen im Rahmen des § 22 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II) im Mai 2012 leitete der Beklagte von Amts wegen ein Überprüfungsverfahren nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) ein und änderte mit Bescheid vom 22.11.2012 die o. a. Bewilligungsbescheide unter Aufhebung der Festsetzung bezüglich der Kosten der Unterkunft (und Heizung) dahingehend, dass von Juli 2011 bis einschließlich Dezember 2012 Leistungen in Höhe von insgesamt 420 EUR nachbewilligt wurden. Ausweislich der dem Bescheid anliegenden Berechnungsbögen sollten nunmehr 360 EUR monatlich für Kosten der Unterkunft bewilligt werden.
Dagegen legte die Bedarfsgemeinschaft Klägerinnen über ihren Bevollmächtigen mit Schreiben vom 20.12.2012 Widerspruch ein. Die Berechnung des Beklagten sei falsch und entspreche nicht der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Sollte bei der Neubescheidung das Gutachten des Beklagten über die Ermittlung der angemessenen Bedarfe der Unterkunft aus dem Januar 2013 zugrunde liegen, sei entgegenzuhalten, dass dieses nicht schlüssig im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei. Es sei daher auf die Werte der Wohngeldtabelle abzustellen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2013 half der Beklagte dem Widerspruch teilweise - unter berichtigender Zugrundlegung seines "Gutachtens über die Ermittlung der angemessenen Bedarfe der Unterkunft und Heizung gemäß § 22 Abs. 1 SGB II und § 35 SGB XII ("schlüssiges Konzept")", verfasst im Januar 2013 - ab. Die Festlegung des angemessenen Mietzinses pro Quadratmeter habe auf Grundlage eines schlüssigen Konzeptes zu erfolgen, das bundessozialgerichtlich aufgestellte Kriterien erfülle. In Anwendung eines solchen Konzeptes des Beklagten ergebe sich für die Klägerinnen als Bedarfsgemeinschaft bei einer abstrakt angemessenen Wohnungsgröße von 65 Quadratmetern und einem angemessenen Quadratmeterpreis von maximal 4,50 EUR ein bewilligungsfähiger Bedarf in Höhe von 292,50 EUR monatlich ohne Nebenkosten. Diese seien in tatsächlicher Höhe von 80 EUR übernahmefähig. Mit Bescheiden vom 16.01.2013, die vom Beklagten zum Gegenstand des Widerspruchsbescheides erklärt wurden, wurde diese Rechnung umgesetzt und den Klägerinnen für Juli 2011 bis Dezember 2012, ausgenommen der Monate November und Dezember 2012, Leistungen für Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 372,50 EUR bewilligt; darin waren 292,50 EUR als angemessene Grundmiete (4,50 EUR mal 65 qm) und (...