Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. kein Ausschluss der Versicherungspflicht durch Bezug laufender Sozialhilfeleistungen, wenn Pflichtmitgliedschaft bereits begonnen hat

 

Orientierungssatz

Der Bezug von laufenden Sozialhilfeleistungen schließt eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aus, wenn die Pflichtmitgliedschaft dort bereits begonnen hat.

 

Tenor

Die Beigeladene wird verurteilt, der Klägerin 5.565,56 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.12.2008 zu zahlen. Die gegen den Beklagten gerichtete Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin und die Beigeladene je zur Hälfte. Der Streitwert wird auf 5.577,60 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, wer die Kosten mehrerer stationärer Krankenhausbehandlungen des M. K. S. (MKS) zu tragen hat.

Der ledige MKS wurde am 00.00.1940 bei Leipzig geboren und verstarb am 00.00 ...2008. Nach seinen Angaben gegenüber seinem im Oktober 2007 bestellten Betreuer (Amtsgericht B. hatte er keine Berufsausbildung und schlug sich auf Baustellen als Hilfsarbeiter durch. Vor der Wiedervereinigung lebte er in der (damaligen) DDR. Er kam dann in die neuen Bundesländer und hielt sich dort ohne Erwerbstätigkeit und ohne festen Wohnsitz auf, zuletzt in B. Er war vom 06.01. bis 03.04.1958 bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen gesetzlich krankenversichert. Weitere danach liegende Zeiten der Mitgliedschaft im Rahmen einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung sind nicht bekannt.

Am 10.03.2005 sprach MKS beim Beklagten vor; er erklärte, derzeit im Klinikum in der Raucherstube zu schlafen, im Cafe Q. habe er Hausverbot. Er bat um finanzielle Hilfe. Anspruch auf Lohnersatzleistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) hatte MKS nicht. Da zunächst noch unklar war, ob er dem Personenkreis des Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II - Grundsicherung für Arbeitssuchende) oder des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII - Sozialhilfe) zuzuordnen war, nahm der Beklagte auch einen Antrag auf Arbeitslosengeld (Alg) II auf. Der Beklagte leistete ab 10.03.2005 zunächst Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Am 24.03.2005 stellte der Amtsarzt beim Gesundheitsamt der Stadt Aachen fest, dass MKS dauerhaft voll erwerbsunfähig ist. Daraufhin wurde er ab 10.03.2005 dem Personenkreis des SGB XII zugeordnet und erhielt Leistungen der Grundsicherung (GSi) bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Für die Durchführung der Krankenbehandlung gem. § 264 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) wählte er die AOK Rheinland/ Hamburg. Leistungen nach dem SGB II bezog er zu keinem Zeitpunkt; er wurde deshalb auch nicht als Pflichtmitglied zu Krankenversicherung gemeldet. Die letzte Zahlung von Sozialhilfe durch den Beklagten im Jahre 2005 erhielt MKS am 08.11.2005.

Vom 13.11.2005 bis 08.08.2007 war MKS inhaftiert. Während der Haftzeit hatte er Anspruch auf Krankenbehandlung gem. § 58 Strafvollzugsgesetz (StVollzG).

Vom 25.09.2007 bis zu seinem Tod am 00.00.2008 erhielt MKS vom Beklagten erneut laufende GSi-Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII. In dieser Zeit wurde er wiederholt in verschiedenen Krankenhäusern behandelt, u.a. im Universitätsklinikum der Klägerin als Notfall a) vom 30.09. bis 02.10.2007, b) vom 20.10. bis 22.10.2007, c) vom 07.11. bis 21.11.2007, d) vom 23.11. bis 24.11.2007. Die hierfür entstandenen Kosten beziffert die Klägerin auf 5.577,60 EUR gegenüber dem Beklagten und 5.565,56 EUR gegenüber der Beigeladenen.

Am 15.01.2008 beantragte MKS (über seinen Betreuer) die Mitgliedschaft bei der AOK Rheinland/Hamburg gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V. Durch Bescheid vom 15.02.2008 lehnte die AOK eine Mitgliedschaft ab 01.10.2007 unter Hinweis auf den laufenden Sozialhilfebezug ab.

Als die Klägerin keine Krankenkasse als Kostenträger zur Begleichung der Krankenhausbehandlungskosten ermitteln konnte, meldete sie die vier Behandlungsfälle im Oktober und November 2007 dem Beklagten und machte die Erstattung ihrer Kosten als Nothelfer gem. § 25 SGB XII geltend.

Durch Bescheid vom 16.04.2008 (bzgl. der Behandlungsfälle a) und b)), durch Bescheid vom 22.04.2008 (bzgl. des Behandlungsfalles c)) und durch Bescheid vom 26.05.2008 (bzgl. des Behandlungsfalles d)) lehnte der Beklagte eine Übernahme der Kosten ab mit der Begründung, MKS sei während der Zeiträume der Krankenhausbehandlungen gesetzlich krankenversichert gewesen. Soweit nämlich für ihn zum 01.04. 2007 oder aber zu einem späteren Zeitpunkt keine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall bestanden habe, sei für ihn Versicherungspflicht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 13 Buchstabe a) SGB V (in der so genannten "Bürgerversicherung" eingetreten. Sofern die zuständige Krankenkasse nicht feststellbar sei, handele es sich um eine zwischen den Krankenkassen zu klärende Problematik; dem Träger der Sozialhilfe komme nicht die Aufgabe eines Ausfallbürgen zu.

Dagegen legte die Klägerin am 21.05., 27.05. bzw. 18.06...

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