Entscheidungsstichwort (Thema)

Genehmigungsfiktion des Leistungsantrags eines Versicherten bei nicht fristgerechter Bescheidung durch die Krankenkasse

 

Orientierungssatz

1. Eine vom Versicherten beantragte, hinreichend bestimmte ärztliche Leistung, die nicht außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt, gilt als von der Krankenkasse nach § 13 Abs. 3a SGB 5 als genehmigt, wenn diese den Antrag nicht fristgerecht bescheidet.

2. Eine postbariatrische Operation - Straffung der Brust, Oberarme, Oberschenkel und Gesäß durch Fettabsaugung - wird ausschließlich von Ärzten erbracht und zählt zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung.

3. Der Eintritt der Genehmigungsfiktion hat sowohl einen Sachleistungsanspruch als auch einen Kostenerstattungsanspruch zur Folge. Ein Rücknahmebescheid nach § 45 Abs. 1 SGB 10 ist ausgeschlossen.

 

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 13.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2015 sowie des Bescheides vom 10.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2017 verurteilt, der Klägerin eine Abdominalplastik sowie eine Straffung der Brust, der Oberarme, Oberschenkel und des Gesäßes mit Aspirationslipektomie der Reithosen beidseits als Sachleistung zu gewähren.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung einer Abdominalplastik sowie einer Straffung der Brust, der Oberarme, Oberschenkel und des Gesäßes mit Aspirationslipektomie der Reithosen beidseits als Sachleistung.

Die 1974 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Nach einer Magenbypass-Operation im August 2013 und Gewichtsverlust von 67 - 69 kg beantragte sie bei der Beklagten unter Vorlage weiterer medizinischer Unterlagen am 18.03.2015 die Kostenübernahme für mehrere Wiederherstellungs-Operationen wegen Cutis laxa generalisata und einer psoriasisformen Dermatitis mit Mazerationen und Entzündungen in den durch Gewichtsverlust entstandenen Hautfalten. Im Gutachten vom 24.04.2015 wies der Sozialmedizinische Dienst (SMD) der Beklagten nach Untersuchung der Klägerin darauf hin, dass keine der beantragten Operationen (Abdominalplastik, Bruststraffung, Oberarm-, Oberschenkel- sowie Gesäßstraffung, Fettabsaugung) als zwingende Operation zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) empfohlen werden könne. Der Lokalbefund zeige keine chronisch-rezidivierenden therapierefraktären Ekzeme sowie keine signifikanten Funktionsbehinderungen im Gangbild, bei der Hüftbeuge sowie in der Beweglichkeit der oberen und unteren Extremitäten. Eine seelische Belastungssituation stelle nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) keine Indikation für plastisch-chirurgische Eingriffe dar, da in diesen Fällen die Mittel der Psychotherapie und Psychiatrie anzuwenden seien.

Durch Bescheid vom 13.05.2015 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme für eine Abdominalplastik, eine Straffung der Brust, der Oberarme und Oberschenkel sowie des Gesäßes mit Aspirationslipektomie der Reithosen beidseits ab. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 23.10.2015 als unbegründet zurück.

Mit der am 23.11.2015 erhobenen Klage weist die Klägerin darauf hin, dass ihr Antrag aus März 2015 nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt gelte. Die Beklagte habe erst nach Ablauf der 5-Wochenfrist des § 13 Abs. 3a Satz 1, 2. Alt. SGB V über den Antrag entschieden, ohne zuvor eine Mitteilung nach § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V zu machen. Nach Eintritt der Genehmigungsfiktion sei die Beklagte mit allen Einwendungen, insbesondere der Einwendung fehlender medizinischer Notwendigkeit ausgeschlossen. Nach der Entscheidung des BSG vom 08.03.2016 (B 1 KR 25/15 R) gelte § 13 Abs. 3a SGB V für Sachleistungs- und Erstattungsansprüche gleichermaßen. Die begehrte postbariatrische Wiederherstellungschirurgie liege nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV. Sie habe die Leistung aufgrund der Einschätzung ihrer behandelnden Ärzte auch für erforderlich halten dürfen. Eine Prüfung der medizinischen Notwendigkeit im konkreten Einzelfall finde daher gerade nicht statt.

Nachdem die Beklagte zunächst den Eintritt der Genehmigungsfiktion bestritten hatte, hat sie diese während des Klageverfahrens eingeräumt und gemäß § 45 SGB X mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen (Bescheid vom 10.01.2017, Widerspruchsbescheid vom 07.03.2017).

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.05.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.10.2015 sowie des Bescheides vom 10.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.03.2017 zu verurteilen, ihr eine Abdominalplastik sowie eine Straffung der Brust, der Oberarme, der Oberschenkel und des Gesäßes mit Aspirationslipektomie der Reithosen beidseits als Sachleistung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass die fiktive Gene...

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