Entscheidungsstichwort (Thema)

Erwerbsminderungsrente vor Vollendung des 60. Lebensjahres. Rentenabschlag. Verfassungsmäßigkeit

 

Orientierungssatz

1. Die Kammer folgt nicht der Ansicht des 4. Senats des BSG im Urteil vom 16.5.2006 - B 4 RA 22/05 R = SozR 4-2600 § 77 Nr 3, nach der eine Kürzung des Zugangsfaktors bei einer Rente wegen Erwerbsminderung, die tatsächlich vor Vollendung des 60. Lebensjahres beginnt, auf Grund der Regelung des § 77 Abs 2 S 3 SGB 6 rechtswidrig ist.

2. Anschluss an LSG Celle-Bremen vom 13.12.2006 - L 2 R 466/06 ER und an SG Aachen vom 9.2.2007 - S 8 R 96/06.

 

Tatbestand

Der ... 1954 geborene Kläger wendet sich gegen die Kürzung des Zugangsfaktors in seiner Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit auf Grund der Inanspruchnahme vor Vollendung des 63. Lebensjahres und verlangt die Gewährung der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit mit einem Zugangsfaktor von 1,0.

Der Kläger bezieht von der Beklagten seit dem 1. Februar 2005, das heißt vor Vollendung seines 63. Lebensjahres, bis zum 29. Februar 2008 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit im Sinne von § 43 Abs. 2 neue Fassung (n. F.) Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) in Verbindung mit § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI. Die Beklagte gewährt die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit mit Rentenbescheid vom 10. April 2006 mit einem Zugangsfaktor von 0,892 und nicht mit einem Zugangsfaktor von 1,0, weil der Zugangsfaktor wegen der Inanspruchnahme der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres um 36 Monate mit jeweils dem Faktor 0,003 (also um insgesamt 0,108) auf 0,892 zu kürzen gewesen ist.

Der Kläger legte am 9. Mai 2006 gegen den Rentenbescheid vom 10. April 2006 Widerspruch hinsichtlich des Beitragszuschlages für Kinderlose in der gesetzlichen Pflegeversicherung und hinsichtlich der Kürzung des Zugangsfaktors ein.

Die Beklagte berechnete mit Rentenbescheid vom 30. Mai 2006 die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit neu, wobei es bei dem gekürzten Zugangsfaktor von 0,892 verblieb.

Die Beklagte half dem Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2006 hinsichtlich des Beitragszuschlages für Kinderlose in der gesetzlichen Pflegeversicherung ab und wies den Widerspruch hinsichtlich der Kürzung des Zugangsfaktors als unbegründet zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass die Beklagte der Ansicht des Bundessozialgerichtes (BSG) in dessen Urteil vom 16. Mai 2006 (Az.: B 4 RA 22/05 R, zitiert nach JURIS) nicht folge, dass der Zugangsfaktor bei einer Rente wegen Erwerbsminderung, die vor Vollendung des 60. Lebensjahres tatsächlich begonnen hat, nicht zu kürzen sei.

Der Kläger hat am 8. Januar 2007 Klage erhoben.

Der Kläger vertritt die Auffassung, der Zugangsfaktor der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit sei wegen des tatsächlichen Rentenbeginns vor Vollendung des 60. Lebensjahres unter Berücksichtigung des Urteils des BSG (BSG a. a. O.) nicht wegen Inanspruchnahme der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vor Vollendung des 63. Lebensjahres zu verringern, sondern die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit sei mit einem Zugangsfaktor von 1,0 zu gewähren.

Der Kläger beantragt sinngemäß;

die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10. April 2006 in der Fassung des Rentenbescheides vom 30. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2006 zu verurteilen, die Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit (§ 43 Abs. 2 n. F. SGB VI, § 102 Abs. 2 Satz 1 SGB VI) mit einem ungekürzten Zugangsfaktor von 1,0 zu berechnen und ab dem 1. Februar 2005 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt;

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass der Zugangsfaktor auch bei einer Rente wegen Erwerbsminderung, die vor Vollendung des 63. Lebensjahres bezogen werde und tatsächlich vor Vollendung des 60. Lebensjahres begonnen habe, gemäß § 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI in Verbindung mit § 77 Abs. 2 Satz 2 SGB VI zu kürzen sei. Im Übrigen verweist sie zur Begründung auf ihre im Verwaltungsverfahren erlassenen Bescheide.

Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 1. März 2007 (Beklagte) und 2. März 2007 (Kläger) einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten, die dem Gericht bei seiner Entscheidung vorgelegen haben, verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Beteiligten einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung schriftlich zugestimmt haben.

Die Klage ist unbegründet.

Der Rentenbescheid der Beklagten vom 10. April 2006 in der Fassung des Rentenbescheides vom 30. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Dezember 2006 ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger nicht in eigenen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).

Der Kläger ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?