Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Frist für Eintritt der Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a SGB 5. Leistungsumfang. Erforderlichkeit der Leistung
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Frist betreffend den Eintritt der Genehmigungsfiktion ist der Zeitpunkt der Kenntnis des Versicherten von der ablehnenden Entscheidung (tatsächlicher Zugang) maßgeblich.
2. Der Leistungsumfang nach § 13 Abs 3a SGB V umfasst alle Leistungen, welche nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskataloges der GKV liegen.
Orientierungssatz
Mit dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift des § 13 Abs 3a S 6 SGB 5 ist es nicht vereinbar, die Vorschrift dahingehend auszulegen, dass noch zu prüfen wäre, ob die Leistung erforderlich war.
Tenor
I. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für die Durchführung einer bariatrischen Operation in Höhe von 8.237,09 Euro zu erstatten sowie sie von den Folgebehandlungskosten freizustellen.
II. Der Bescheid vom 21. Januar 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2015 wird aufgehoben.
III. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Kostenerstattung für eine Operation zur Gewichtsreduktion (Schlauchmagen).
Die 1988 geborene Klägerin hat ein Gewicht von 101 kg bei einer Körpergröße von 165 cm (entspricht BMI 37 kg/m²). Am 16.12.2014 beantragte sie bei der Beklagten unter Vorlage verschiedener ärztlicher Befundberichte die Kostenübernahme für eine Gastric-Sleeve-Operation. Der Antrag ging bei der Beklagten am 22.12.2014 ein.
Die Beklagte forderte ihren Medizinischen Dienst (MDK) unter Vorlage der Unterlagen mit Schreiben vom 07.01.2015 zur Stellungnahme auf. Die Beklagte setzte die Klägerin hiervon mit Schreiben vom selben Tag in Kenntnis. Der MDK äußerte sich mit Gutachten nach Aktenlage vom 16.01.2015 dahingehend, dass eine Änderung des Lebensstils aus den Unterlagen nicht ersichtlich sei. Auch sei eine Nachsorge nicht ersichtlich. Unter diesen Gesichtspunkten könne der Eingriff nicht empfohlen werden.
Mit Bescheid vom 21.01.2015 (einfacher Brief) lehnte die Beklagte die Gewährung der beantragten Operation ab. Am 28.01.2015 hielt die Klägerin telefonisch bei der Beklagten Rückfrage zu ihrem Antrag, da sie bislang bis auf die Nachricht der MDK-Begutachtung nichts erhalten habe. Mit Schreiben vom selben Tag kündigte die Klägerin hierauf an, dass sie sich die beantragte Leistung nunmehr selbst beschaffen werde und sich auf § 13 Abs. 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) berufe. Mit email ebenfalls vom 28.01.2015 übersandte die Beklagte der Klägerin das MDK-Gutachten, wie von dieser telefonisch gewünscht. Darüber hinaus versandte die Beklagte den Bescheid am 28.01.2015 erneut per Post an die Klägerin, welcher dieser nach eigener Angabe dann am 02.02.2015 zugegangen ist (vgl. Schreiben im Klageverfahren vom 10.03.2016).
Daneben erklärte die Beklagte mit Schreiben vom 28.01.2015, dass die Rechtsauffassung der Klägerin nicht zutreffend sei, da ein Verwaltungsakt, der als einfacher Brief zur Post gegeben wurde, innerhalb von drei Tagen als bekannt gegeben gelte. Der Bescheid vom 21.01.2015 sei danach fristgerecht übersandt worden.
In einem Telefonanruf vom 29.01.2015 äußerte die Klägerin ihr Unverständnis über das Schreiben vom 28.01.2015.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.03.2015 wies die Beklagte im Übrigen den als Widerspruch gewerteten Telefonanruf der Klägerin vom 28.01.2015 als unbegründet zurück. Die medizinische Notwendigkeit der Operation sei nicht bestätigt worden, sodass gemäß der höchstrichterlichen Rechtsprechung ein Anspruch nicht bestehe. Die Genehmigungsfiktion greife im Übrigen nur ein, wenn die Leistung erforderlich sei, was aus medizinischen Gründen gerade abzulehnen sei.
Zuvor hat die Klägerin bereits am 29.01.2015 Klage beim Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Begründung trägt sie vor, dass der gegenüber der Beklagten gestellte Antrag bis zum heutigen Tage nicht verbeschieden worden sei. Sie leide an einem BMI von 40 und an erheblichen Begleiterkrankungen. Eine Erklärung der Beklagten, dass die 5-Wochen-Frist nicht eingehalten werden könne, sei nicht erfolgt. Mit dem Eintritt der Genehmigungsfiktion sei das Antragsverfahren erledigt und es verbleibe ein Feststellungsinteresse. Die Klage sei daher bereits als Leistungsklage zulässig. Die Norm gelte außerdem für den Bereich der Sachleistungsansprüche. In der Folge legt die Klägerin den ergangenen Widerspruchsbescheid vor und begehrt nunmehr die Erstattung der mittlerweile selbst beschafften Leistung unter Vorlage der Rechnungen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die Durchführung einer bariatrischen Operation in Höhe von € 8.237,09 zu erstatten sowie sie von den weiteren Folgebehandlungskosten freizustellen sowie
den Bescheid vom 21.01.2015 und den Widerspruchsbescheid vom 11.03.2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Diese legt nach Abschluss des geführten Widerspruchsverfahrens die Akt...