Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch des Versicherten auf Versorgung mit einem Hörgerät über den Festbetrag hinaus

 

Orientierungssatz

1. Bei dem Anspruch des Versicherten auf Hörgeräteversorgung nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB 5 handelt es sich um einen solchen auf unmittelbaren Behinderungsausgleich. Dieser ist auf den möglichst vollständigen funktionellen Ausgleich der Behinderung gerichtet.

2. Eine beidseitige Taubheit mit Hörresten kann durch eine Versorgung mit zuzahlungsfreien Hörgeräten nicht ausgeglichen werden. Um Tätigkeiten ausführen zu können, die zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören, ist der Versicherte im konkreten Fall mit dem Hörgerät Siemens Nitro 3 micon einschließlich des dafür notwendigen Zubehörs in Form von zwei Komfort-Otoplastiken HdO und MiniTek Transmitter zu versorgen.

 

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Juli 2014 in Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2014 verurteilt, den Kläger mit dem Hörgerät Siemens Nitro 3 micon, zweier Komfort-Otoplastiken HdO sowie mit dem Zubehör miniTek und Transmitter zu versorgen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch des Klägers auf eine Hörgeräteversorgung über den Festbetrag hinaus streitig (Versorgung mit dem Hörgerät Siemens Nitro 3 micon, zwei Komfort-Otoplastiken HdO sowie Zubehör miniTek & Transmitter).

Der am 1981 geborene Kläger ist Mitglied der Beklagten. Er arbeitet beim H. A-Stadt im Bereich Organisation und Haushalt. Bei ihm liegt beidseitige Taubheit mit Hörresten vor.

Mit Schreiben vom 27.06.2014 beantragte er die Kostenübernahme für eine Hörgeräteversorgung über den Festbetrag hinaus. Hierzu holte die Beklagte eine Stellungnahme des MDK vom 11.07.2014 ein.

Mit Bescheid vom 17.07.2014 lehnte die Beklagte hierauf den Antrag ab. Wie aus den Unterlagen des Hörgeräteakustikers hervorgehe, habe keine vergleichbare Anpassung von Festbetragsgeräten stattgefunden. Es seien nur nichtaufzahlungsfreie Geräte aufgelistet worden. Eine Versorgung mit Geräten zu Festbeträgen sei nicht ernsthaft in Erwägung gezogen worden. Dagegen richtet sich der Widerspruch des Klägers vom 05.08.2014 unter Vorlage eines "Tagebuches", nach dem er auch Geräte zum Festbetrag getestet habe.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 30.09.2014 zurück.

Hiergegen hat der Bevollmächtigte am 20.11.2014 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Zur Klagebegründung hat er vorgetragen, dass der Kläger im Vorfeld von seinem Hörgeräteakustiker sowohl Hörgeräte zum Test erhalten habe, die zuzahlungsfrei seien, als auch solche mit Zuzahlung. Der Kläger habe von der Firma D., S. und dem Hörgerätezentrum B. Geräte zum Testen zur Verfügung gestellt erhalten. Dies betreffe die Geräte Siemens Intuis SP Dir, Siemens Nitro 301 SP mit miniTek, Oticon Sumo DM, Siemens Nitro 301 SP ohne miniTek, Phonak Naida S I UP, Phonak Naida Q50 UP, Widex Super 220 VS S2 ex, GN Resound Magna sowie das Siemens Nitro 3 mit miniTek. Als deutlich bestes Hörgerät habe sich dabei das Siemens Nitro 3 mit miniTek herausgestellt. Dies könne anhand der geringeren Höranstrengung und dem klaren Sprachbild begründet werden. Die Aussprache des Klägers habe an Deutlichkeit stark zugenommen, was durch die Hörbarkeit von wichtigen Phänomenen durch Frequenzkompression erst möglich geworden sei. Die Frequenzkompression sei ein besonderes Merkmal des beantragten Hörgerätes, das die Vergleichsgeräte nicht aufweisten. Aufgrund der Frequenzkompression könne der Kläger nun deutlich besser am Straßenverkehr teilnehmen, da er unter Verwendung des Siemens Nitro 3 mit miniTek z.B. Sirenentöne und akustische Signale anderer Verkehrsteilnehmer wahrnehmen und darauf reagieren könne. Auch Zugdurchsagen könne er damit leichter verstehen, was für ihn wichtig sei, da er täglich mit dem Zug unterwegs sei. Im beruflichen Alltag, speziell bei Besprechungen und Parteiverkehr, ermüde der Kläger deutlich weniger stark. Durch eine zusätzliche Fernbedienung (Siemens miniTek), die Bluetooth-Geräte per Streaming mit den Hörsystemen verbinden könne, sei es ihm zum ersten Mal möglich zu telefonieren. Bisher sei er auf Fax- und E-Mail-Kommunikation angewiesen gewesen. Auch dies sei für seinen Alltag von großer Bedeutung.

Hierauf hat die Beklagte mit Schreiben vom 23.01.2015 erwidert, dass auf Basis der vorliegenden Unterlagen festgestellt werden müsse, dass die Aufzeichnungen des Klägers rein subjektiver Art seien. Bedauerlicherweise fänden sich in den Anpassungsberichten des Hörzentrums B. keinerlei objektive Aussagen bezüglich aufzahlungsfreier Hörgeräte. Damit sei zumindest anhand objektiver Messergebnisse nicht nachprüfbar, ob die aufzahlungspflichtigen Hörgeräte tatsächlich einen derart immensen Zusatznutzen bzw. eine überaus deutliche Verbesserung des Hörvermögens bewirkten als etwaige aufzahlungsfreie Hörgeräte. Vielmehr weise das Hörzentrum B. im Schreiben vom 04...

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