Entscheidungsstichwort (Thema)

Soziales Entschädigungsrecht. Impfschaden. Vollbeweis der Impfung und der Impfkomplikation

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Nachweis der Impfung mit einem Impfstoff, der vom Paul-Ehrlich-Institut zugelassen worden ist und deren Chargen freigegeben worden sind (Impfbekanntmachung des Freistaats Bayern 1993) kann auch durch ärztliche Aufzeichnungen und den Nachweis üblicher Praxisabläufe geführt werden.

2. Ein tonischer Adversivkrampf während des Stillens 17 Tage nach der Impfung stellt für sich genommen keinen hinreichenden Nachweis einer Impfkomplikation dar.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.11.2017; Aktenzeichen B 9 V 36/17 B)

 

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 08. Mai 2003 in der Gestalt des

Widerspruchsbescheides vom 11. November 2004 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf die Gewährung von Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) in Anspruch.

Eine Fruchtwasserfunktion während der Schwangerschaft blieb unauffällig. Die Klägerin wurde am Ende der 40. Schwangerschaftswoche am 1994 geboren. Der APGAR-Wert erreichte 10. Im Untersuchungsbefund der U 2 vom 05.12.1994 wird von einer Opisthotonushaltung berichtet. Infolge der Untersuchungen U 3 und U 4 am 03.01.1995 und 06.03.1995 holte der behandelnde Kinderarzt Hinweise des Gesundheitsamtes K. ein und berichtete von einer gewissen Opisthotonushaltung, einem okzipital betonten Schädel und vermerkte, dass auf die Hochtonrassel keine Reaktion erfolgt sei.

Die erste Grundimmunisierung erfolgte am 20.03.1995 durch die Ärztin Dr. K., die zweite am 05.05.1995.

17 Tage nach der zweiten Impfung, am 21.05.1995 stellte sich bei der Klägerin ein tonischer Adversivkrampf während des Stillens ein. Im Entlassungsbericht nach dem anschließenden Krankenhausaufenthalt wird ein grenzwertiger Entwicklungsrückstand der Klägerin vermeldet. Es erfolgte keine Meldung der Erkrankung als Verdachtsfall einer unerwünschten Arzneimittelwirkung. In der am 06.06.1995 durchgeführten Kernspintomographie wurde eine diskrete Betonung der äußeren Liquorräume und der Restbefund einer abgelaufenen Immunreaktion geschildert.

Am 21.05.1996 erfolgte die dritte Impfung mit DT Behring.

Nach der Vorstellung in der Kinderarztpraxis am 13.06.1996 wurde der dringende Verdacht auf eine Wahrnehmungsstörung mit autistischen Zügen geäußert. In der daraufhin veranlassten Vorstellung in der neuropädiatrische Ambulanz der Universität E. am 08.07.1996 ergab sich aber kein Befund.

Am 04.12.1996 wurde eine Hib Impfung und die dritte Polioschluckimpfung vorgenommen.

Im Bericht über die U 7 am 04.12.1996 wird eine Retardierung der Entwicklung sowie Störungen der Feinmotorik, der Sprachentwicklung und des Sozialverhaltens festgehalten.

Ende des Jahres 2000 erfolgte ein Grand-mal Anfall.

Am 30.11.2000 ging der Antrag auf Beschädigtenversorgung beim Amt für Versorgung und Familienförderung Bayreuth ein. Im vorgelegten Impfausweis der Klägerin sind die Chargennummern nur für Impfungen am 20.03.1995 und 21.05.1996, nicht aber für die Impfung am 04.05.1995 angegeben.

Am 11.03.2002 erfolgte eine Elterneinvernahme. Im versorgungsärztlichen Gutachten des Facharztes für Neurologie B. vom 07.08.2002 wurde das Vorliegen eines Impfschadens verneint.

Der Beklagte holte eine Stellungnahme des P.-E.-Institut ein, die am 02.04.2003 von Dr. K. H. erteilt wurde. Nach der Meldung der Eltern über den Verdachtsfall einer unerwünschten Arzneimittelwirkung sei der Fall dahingehend eingestuft worden, dass der Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und dem klinischen Schädigungsbild möglich erscheine.

Im Bescheid vom 08.05.2003 wurde der Antrag auf Beschädigtenversorgung abgelehnt. Der dagegen erhobene Widerspruch vom 16.05.2003 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2004 zurückgewiesen.

Mit diesem Ergebnis des Verwaltungsverfahrens zeigte sich die Klägerin nicht einverstanden und erhebt am 09.12.2004 Klage zum Sozialgericht Bayreuth.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.05.2003 des Amtes für Versorgung und Familienförderung Bayreuth in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.11.2004 des Landesversorgungsamtes zu verurteilen, den Schaden der Klägerin anzuerkennen und Versorgungsleistungen nach dem IfSG i.V.m. BVG zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht holte das mikrobiologische Gutachten von Prof. Dr. W. J. vom 14.02.2008 ein. Als Folge der Impfung mit einem der Totimpfstoffe wäre ein Krampfanfall wesentlich früher zu erwarten gewesen. Die neurologischen Auffälligkeiten der Klägerin könnten am wahrscheinlichsten durch die Poliolebendimpfung ausgelöst worden sein. Als Komplikation könne in sehr seltenen Fällen impfassoziierte Poliomyelitis hervorgerufen werden. Diese gehe aber mit anhaltenden schlaffen Lähmungen der unteren Extremitäten einher, die bei der Klägerin aber nicht vorlagen. Eine Enzephalitis könne ebenfal...

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