Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehr- oder Sonderbedarf. keine Übernahme der Kosten für neue Gleitsichtbrillengläser
Orientierungssatz
1. Die Kosten einer Gleitsichtbrille können nicht gem § 21 Abs 6 SGB 2 übernommen werden, da insofern weder ein laufender noch ein atypischer, besonderer Bedarf vorliegt. Kosten für die Anschaffung von Brillen sind im Regelbedarf berücksichtigt.
2. Der Austausch von Brillengläsern aufgrund einer Anpassung an einen neuen Visus stellt auch keine Reparatur iS des § 24 Abs 3 S 1 Nr 3 SGB 2 dar (vgl LSG Essen vom 7.8.2014 - L 7 AS 269/14 = FEVS 66, 419).
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für eine Gleitsichtbrille in Höhe von 619,00 Euro.
Der Kläger erhält Leistungen nach dem SGB II seit dem 01.01.2005.
Der Kläger beantragte am 29.11.2012 die Übernahme der Kosten für zwei am 21.11.2012 ärztlich verordnete in der Stärke aktualisierte und angepasste Brillengleitsichtgläser (Stärke rechts und links -8,00 (Sphär.), -0,75 (Cyl.) und 2,5 (ADD)) und die Reparatur eines beschädigten Brillengestells.
Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 04.12.2012 die Übernahme der Kosten ab. Den hiergegen am 14.12.2012 eingelegten Widerspruch hat der Beklagte mit Bescheid vom 22.01.2013 zurück gewiesen.
Am 05.02.2013 hat sich der Beklagte eine neue Brille für 619,00 (69,00 Euro für die Fassung, je 275,00 Euro für die Gläser) Euro gekauft.
Der Kläger hat hiergegen am 06.02.2013 Klage erhoben. Die Brille werde dringend zur Erhaltung der Teilarbeitsfähigkeit und körperlichen Unversehrtheit benötigt. Die Ausgaben könnten nicht aus dem Regelbedarf gedeckt werden. Bereits der Begriff "Regelleistung" verdeutliche, dass über einen regelmäßigen Bedarf hinausgehende Ausgaben erstattet werden müssten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 04.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2013 zu verurteilen, die Kosten für eine Gleitsichtbrille zu erstatten.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte ist der Ansicht, dass keine Anspruchsgrundlage für eine Übernahme der Kosten gegeben sei. Bei einer Brille handele es sich um einen einmaligen und nicht um einen laufenden Bedarf. Außerdem handele es sich auch nicht um einen besonderen Bedarf, der sich qualitativ oder quantitativ von dem durchschnittlichen Regelbedarf unterscheide. Der Gesetzgeber habe eindeutig zum Ausdruck gebracht (BT-Drucks. 17/1465 S. 8), dass die Anschaffung einer Brille nicht unter § 21 Abs. 6 SGB II falle.
Die Kammer hat die Befunde des Augenarztes des Klägers Dr. F. G. seit 01.01.2009 beigezogen. Demnach fand seit 2009 nur die eine Behandlung am 21.11.2012 statt.
Der Kläger hat den Vorsitzenden mehrfach wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Die Ablehnungsgesuche wurden vom Vorsitzenden der 1. Kammer zurückgewiesen.
Der Kläger ist zur mündlichen Verhandlung am 02.12.2014 nicht erschienen.
Ergänzend wird auf Akten des Beklagten und des Gerichts verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Kammer konnte trotz Ausbleibens des Klägers in der mündlichen Verhandlung entscheiden, weil der Kläger die Ladung erhalten hat und er darauf hingewiesen wurde, dass auch im Falle des Ausbleibens Beweis erhoben, verhandelt und entschieden werden kann.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 04.12.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.01.2013, mit dem der Beklagte die Bewilligung eines besonderen Bedarfs wegen der Anschaffung einer neuen Gleitsichtbrille abgelehnt hat. Eine Anspruchsgrundlage für die Erstattung der Kosten der Brillengläser besteht nicht. Die Kosten sind daher aus dem Regelbedarf gem. § 20 SGB II zu bestreiten.
I.
§ 21 Abs. 6. SGB II kommt als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht, weil die Anschaffung einer neuen Brille vorliegend keinen besonderen, laufenden, unabweisbaren Bedarf darstellen.
Es liegt kein besonderer Bedarf vor. Um einen besonderen Bedarf handelt es sich, wenn er nicht schon vom Regelbedarf abgedeckt wird, sondern aufgrund atypischer Bedarfslagen über den Durchschnittsbedarf hinausgeht oder aufgrund seiner Atypik vom Regelbedarf nicht erfasst ist (vgl. BVerfG Urteil vom 9.2.2010 - 1 BvL 1, 3, 4/09). Ein besonderer Bedarf ist demnach dann nicht vorhanden, wenn er nach Art und Umfang typischerweise bei Leistungsberechtigten nach dem SGB II auftritt. Die Härteklausel dient nicht dazu einen für unzureichend erachteten Regelbedarf generell aufzustocken, vgl. S. Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 21 Rdnr. 66.
Die Kosten für die Anschaffung von Brillen sind nach § 5 Abs. 1 des Regelbedarfsermittlungsgesetzes bei der Ermittlung des Regelbedarfes in der Abteilung 6 (Gesundheitspflege) grds. berücksichtigt. Dies geht aus dem Systematischen Verzeichnis der Einnahmen und Ausgaben der privaten Haushalte (SEA), Ausgabe 20...