Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Eilverfahren. Bestimmung der Verfahrensgebühr. Bemessung der Mittelgebühr

 

Orientierungssatz

Zur Entstehung der Verfahrensgebühr nach Nr 3102 RVG-VV und der grundsätzlichen Herabsetzung der Mittelgebühr um ein Drittel in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Anschluss an SG Berlin vom 10.6.2009 - S 165 SF 601/09 E = NJW-Spezial 2009, 461).

 

Tenor

180SF683494SF176109/165Gerichtsbescheidpc6001Urteil:Auf die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 27. Mai 2009 (Az. S 156 AS 2…/08 ER) werden die von dem Erinnerungsführer dem Erinnerungsgegner zu erstattenden Kosten auf 172,75 EUR festgesetzt.

Kosten des Erinnerungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Gesamtbetrag der zu erstattenden Kosten ergibt sich aus der nachfolgenden Berechnung:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG

125,00 EUR

Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG

 20,00 EUR

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG

 27,55 EUR

Summe

172,55 EUR

Die zulässige Erinnerung vom 17. Juni 2009, hier eingegangen am 22. Juni 2009, ist begründet. Im angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss ist die zu erstattende Verfahrensgebühr um 125,00 € zu hoch auf den Betrag von 250,00 € festgesetzt worden.

Richtig wurde von der Anwendbarkeit der Vorschrift der Nr. 3102 VV RVG statt Nr. 3103 VV RVG ausgegangen. Innerhalb des Gebührenrahmens der Nr. 3102 VV RVG war die dortige Mittelgebühr von 250,00 € um die Hälfte auf 125,00 € herabzusetzen, so dass der im Beschluss angesetzte Betrag von 250,00 € zu hoch ausfällt.

Sowohl hinsichtlich der Entstehung der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG als auch hinsichtlich der grundsätzlichen Herabsetzung der Mittelgebühr um 1/3 in Eilverfahren folgt die Kammer der Rechtsprechung der 164. und 165. Kammer des Sozialgerichts, die bis zum 31.12.2009 allein für Erinnerungen in Kostensachen zuständig waren. Zur Bestimmung der Verfahrensgebühr gem. Nr. 3102 VV RVG in einstweiligen Rechtsschutzverfahren hat die 165. Kammer in ihrem Musterbeschluss vom 10.06.2009 (Az. S 165 SF 601/09 E; zu finden unter juris und sozialgerichtsbarkeit.de) wie folgt ausgeführt:

“Die Kammer nimmt den vorliegenden Fall zum Anlass, ihre bisherige Rechtsprechung (S 165 SF 5/09 E vom 30. Januar 2009) zur Frage der Anwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr. 3103 VV RVG auf Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz nach § 86 b SGG im Grundsatz zu ändern und nunmehr an die Rechtsprechung der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin anzugleichen. Im Beschluss der 164. Kammer vom 4. März 2009 - S 164 SF 194/09 -, dem die Kammer aus den dort genannten Gründen folgt, heißt es dazu:

“Zunächst weist die Kammer darauf hin, dass vorliegend eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG angefallen ist und nicht nach Nr. 3103 VV RVG. Das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz setzt ein Verwaltungs- oder Vorverfahren nicht voraus, weshalb schon begrifflich der Tatbestand der Nr. 3103 VV RVG nicht einschlägig ist (vgl. dazu mit ausführlicher Erörterung und Darstellung des Meinungsstandes in der Rechtsprechung SG Duisburg, Beschluss vom 15.05.2007, Az.: S 7 AS 249/06 ER - JURIS -). Die entgegenstehenden Ansichten der von dem Erinnerungsgegner zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung einiger Landessozialgerichte vermochten die Kammer nicht zu überzeugen. Der Gesetzgeber hat in der VV zum RVG eine Ermäßigung für bestimmte Verfahrensarten vorgenommen, ohne jedoch für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz an den Sozialgerichten, bei dem Betragsrahmengebühren entstehen, eine eigenständige Gebührenregelung vorzunehmen. Einem Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz geht regelmäßig ein Verwaltungs- oder Vorverfahren nicht voraus, zumindest ist dies keine zwingende Prozessvoraussetzung, weshalb schon der Wortlaut der Nr. 3103 VV RVG der Auslegung, bspw. durch das LSG Thüringen, Beschluss vom 06.03.2008, L 6 B 198/07 SF nicht entspricht.„

Die Abkehr von der bisherigen Rechtssprechung ergab sich für die Kammer aus den folgenden weiteren Überlegungen:

Bei nochmaliger Durchsicht der Rechtsprechung und Literatur stört, dass das zentral angewandte Kriterium des Synergieeffektes teils (nur) bei der Bestimmung des Gebührenrahmens (des Nr. 3103 VV RVG), teils bei der Bestimmung der konkreten Höhe innerhalb des zuvor bestimmten Rahmens oder sogar doppelt (zumindest schwer abgrenzbar) bei beiden Bestimmungen verwendet wird.

Dabei wird das Billigkeitskriterium des anwaltlichen Aufwands (Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit) im Rahmen des Nr. 3103 VV RVG in die Bestimmung des Rahmens selbst (teilweise) vorverlagert, was zu doppelter Verminderung führen kann oder zumindest das Kriterium des Synergieeffekts bei der Bestimmung der konkret billigen Höhe innerhalb des Rahmens bereits von vornherein ausschließt. …„

Die Kammer schließt sich nach eigener Prüfung diesen Erwägungen zur Nichtanwendbarkeit des Nr. 3103 VV RVG im einstweiligen Rechtsschutzverfahr...

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