Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. vorläufige Entscheidung gem § 328 SGB 3. Prognose über den Gewinn aus selbständiger Tätigkeit. wesentliche Änderung der Einkommensverhältnisse. Abänderung der vorläufigen Bewilligung. Bedarfsdeckung
Leitsatz (amtlich)
Ändert sich die Prognose über die voraussichtlichen Einkommensverhältnisse eines selbstständigen Leistungsberechtigten nach Erlass eines vorläufigen Bewilligungsbescheids wesentlich iS von § 48 Abs 1 S 1 SGB 10 und bestehen für diese Änderung plausible Anhaltspunkte, ist ein Leistungsträger schon während des laufenden Bewilligungszeitraums verpflichtet, die vorläufige Bewilligung abzuändern. Im Fall einer erheblichen Lücke bei der Bedarfsdeckung seines Lebensunterhalts ist es dem Leistungsberechtigten nicht zuzumuten, die endgültige Festsetzung nach § 328 Abs 2 SGB 3 abzuwarten.
Tenor
Der Beklagte hat der Klägerin 3/4 (drei Viertel) ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
Nachdem der Rechtsstreit infolge der endgültigen Leistungsbewilligung durch den Beklagten im Bescheid vom 13.08.2013 und des daraufhin angenommenen Anerkenntnisses erledigt ist, war auf Antrag der Klägerin gemäß § 193 Abs. 1 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG - nur noch über die Kosten zu entscheiden.
Die nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG zu treffende Kostenentscheidung ist nach allgemeiner Ansicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen (st. Rspr. seit BSG, Beschluss vom 18.01.1957 - 6 RKa 7/56 -, SozR Nr. 3 zu § 193 SGG = juris Rn. 6 f.; weitere Nachweise zur Rechtsprechung bei Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 10. Aufl. 2012, § 193 Rn. 13). Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere die (ursprünglichen) Erfolgsaussichten der Klage, zu berücksichtigen (BSG, Beschluss vom 16.05.2007 - B 7b AS 40/06 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr. 4 = juris Rn. 5). Da das SGG jedoch im Gegensatz zu anderen Verfahrensordnungen keine zwingende Kostentragungslast des letztlich Unterlegenen kennt, muss im Rahmen der Ermessensentscheidung zudem berücksichtigt werden, inwieweit der Beklagte Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat, ob während des Verfahrens Änderungen der Sach- oder Rechtslage eingetreten sind und wie die Beteiligten auf eine etwaige Änderung reagiert haben (Meyer-Ladewig//Leitherer, a.a.O., Rn. 13 f. m.w.N.).
Auf dieser Grundlage entspricht es billigem Ermessen, den Beklagten zur mehrheitlichen Kostenerstattung zu verpflichten. Denn die Klage war ursprünglich zulässig und begründet. Der Beklagte wäre verpflichtet gewesen, die vorläufige Bewilligungsentscheidung in dem angegriffenen Bescheid vom 28.01.2013 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X - abzuändern und der Klägerin höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff. Zweites Buch Sozialgesetzbuch - SGB II - zu gewähren.
Zwar war der Bewilligungsbescheid zunächst rechtmäßig, denn die Leistungsbewilligung erfolgte rechnerisch zutreffend unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen monatlichen Gewinns von 353,00 € aus der selbstständigen Tätigkeit der Klägerin, den sie in der beim Beklagten eingereichten Anlage EKS vom 15.01.2013 (VA Bl. 480-485) angegeben hatte. Nach Erlass des Bescheids, aber noch vor dessen Bestandskraft trat indes eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ein. Eine solche Änderung liegt vor, wenn im Hinblick auf die für den Erlass eines Verwaltungsakts entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände ein anderer Sachverhalt vorliegt (von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 8). Dies traf auf die von der Klägerin in ihrem Widerspruch vom 13.02.2013 mitgeteilten Umstände zu, dass mehrere Auftraggeber ihren Auftrag zurückgenommen hätten und sie im Januar und Februar 2013 - den ersten beiden Monaten des bis Juni laufenden Bewilligungszeitraums - kein Einkommen erzielt habe, denn unter Zugrundelegung dieser Tatsachen hätte sie gar kein anrechenbares Einkommen mehr erzielt. Gleiches gilt für die ergänzende Mitteilung, dass eine Verbesserung der Auftragslage bzw. Einkommenssituation nicht abschätzbar sei.
Infolge dieser Mitteilung, die die Klägerin nach Aufforderung des Beklagten mit der Einreichung von Kontoauszügen und der Benennung zweier abgesprungener Auftraggeber in ihrem Schreiben vom 27.02.2013 (VA Bl. 535) belegte, wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, einen Änderungsbescheid zu erlassen, in dem der Klägerin gemäß § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III - vorläufig Leistungen ohne Berücksichtigung eines Gewinns aus selbstständiger Tätigkeit zu bewilligen waren. Soweit sich der Beklagte darauf beruft, dass eine positive Veränderung der Auftragslage und ein erneuter Zufluss von Einnahmen nicht ausgeschlossen gewesen seien, greift dieser Einwand nicht durch. Denn Grundlage der vorläufigen Bewilligung nach § 328 Abs. 1 Satz 1 N...