Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Auszubildende. Maßnahmen im Rahmen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben. Ausbildungsgeld kein zu berücksichtigendes Einkommen. keine Kürzung der Regelleistung wegen Vollverpflegung
Orientierungssatz
1. Eine nach den §§ 100ff SGB 3 mit einem Ausbildungsgeld geförderte Maßnahme begründet demnach keinen Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 SGB 2. Dass die Vorschriften über die Berufsausbildungsbeihilfe nach § 104 Abs 2 SGB 3 für das Ausbildungsgeld "entsprechend" gelten, dient der Bemessung, Berechnung und Bewilligung des Ausbildungsgeldes und lässt daher keinen Schluss auf den Umfang der Regelung des § 7 Abs 5 SGB 2 zu.
2. Aus der Regelung des § 22 Abs 7 SGB 2 folgt zumindest für Maßnahmen nach § 105 Abs 1 Nr 2 SGB 3 kein gegenteiliger Schluss.
3. Das geringe Ausbildungsgeld ist nicht nach § 11 SGB 2 als Einkommen anzurechnen. Es hat vielmehr Taschengeldcharakter und dient dazu, die Motivation zur Absolvierung der Maßnahme zu unterstützen.
4. Die vom Grundsicherungsträger finanzierte Vollverpflegung an den Unterrichtstagen mindert die Regelleistung nicht. Die Regelsätze des § 20 SGB 2 sind als feste Pauschale ausgestaltet. Diese gesetzgeberische Entscheidung kann nicht im Verordnungsweg (§ 2 Abs 5 AlgIIV 2008) ausgehebelt werden (so zutreffend LSG Celle-Bremen vom 28.2.2008 - L 9 AS 7/08 ER).
Tenor
Der Bescheid vom 13.5.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.7.2008 wird aufgehoben.
Der Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten.
Tatbestand
Streitig ist die Rechtmäßigkeit eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheides.
Die Klägerin hatte im Jahr 2007 vom Job Center Friedrichshain-Kreuzberg Alg II erhalten. Wegen einer Schwerbehinderung (GdB 80) mit Merkzeichen G und B war ihr über die AA Mitte eine berufsvorbereitende Maßnahme mit Internatsunterbringung vermittelt worden. Hierüber war sie in einem Schreiben der AA Mitte vom 17. Oktober 2007 informiert worden. Als Beginn der Maßnahme war der “nächstmögliche Zeitpunkt„ vorgesehen.
Infolge eines Umzugs der Klägerin in den Bezirk L. hatte das dortigen Job Center, der Beklagte, Alg II in Höhe von 347 € und die Unterkunftskosten in Höhe von 269,- € monatlich sowohl für den Zeitraum 15.11.2007 bis 30.4.2008 als auch vom 1.5. bis 31.10.2008 unter Anrechnung des Kindergeldes übernommen (Bescheide vom 16.1.2008).
Am 3.3.2008 begann die berufsvorbereitende Maßnahme, die die AA Mitte durch Übernahme der Ausbildungs- und Fahrkosten von Berlin nach Potsdam förderte. Außerdem erhielt die Klägerin ein monatliches Ausbildungsgeld in Höhe von 93,- €
Mit der Begründung, die Klägerin befinde sich in einer dem Grunde nach mit BAB förderbaren Ausbildung und unterliege daher einem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II, lehnte der Beklagte einen Alg II-Fortzahlungsantrag von April 2008 ab. Die noch bis Ende April gezahlten Leistungen (938,55 €) forderte der Beklagte nach Anhörung der Klägerin mit Bescheid vom 13.5.2008 zurück.
Der hiergegen erhobene Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2008).
Hiergegen richtet sich die am 28. Juli 2008 erhobene Klage, mit der die Klägerin geltend macht, sie sei aufgrund der Vermittlung der Maßnahme über die AA Mitte davon ausgegangen, dass sie weiter Alg II erhalte, um ihre Wohnung und den Lebensunterhalt während der Schließungszeiten des Internats (an den Wochenenden, an Feiertagen und während der Ferienzeit vom 2. bis zum 17.8.2008) finanzieren zu können; anderenfalls hätte sie die Maßnahme gar nicht angetreten. Inzwischen habe sie die Wohnung wegen rückständiger Mieten verloren und wohne in einem Übergangshaus. Dennoch setzte sie die Ausbildung fort.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 13.5.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 1.7.2008 aufzuheben.
Die Beklagtenvertreterin beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Ergänzend wird zum übrigen Sach- und Streitstand auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und die beigezogene Leistungsakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat ungeachtet der Teilnahme an der Bildungsmaßnahme Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Denn eine mit Ausbildungsgeld geförderte Maßnahme nach den §§ 100 ff SGB III begründet keinen Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 5 SGB II. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Norm, die nur von “im Rahmen des BAföG oder der §§ 60 bis 62 SGB III„ förderbaren Ausbildungen spricht. Dass die Vorschriften über die BAB nach § 104 Abs. 2 SGB III für das Ausbildungsgeld “entsprechend„ gelten, dient der Bemessung, Berechnung und Bewilligung des Ausbildungsgeldes (vorbehaltlich besonderer Bestimmungen) und lässt daher keinen Schluss auf den Umfang der Regelung des § 7 Abs. 5 SGB II zu. Es bleibt ja dabei, dass es sich um Maßnahmen im Rahmen der Förderung der Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleb...