Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Europarechtskonformität
Leitsatz (amtlich)
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 ist mit der Gleichbehandlungsgebot des Art 4 EGV 883/2004 vereinbar.
Orientierungssatz
1. Auf einen Unionsbürger, der sein Aufenthaltsrecht ausschließlich aus § 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU 2004 bzw der Arbeitsuche herleiten kann, findet der Leistungsausschluss gem § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 auch dann Anwendung, wenn er in früheren Zeiten eine Verbindung zum Arbeitsmarkt in Deutschland aufgebaut hatte (entgegen LSG Hamburg vom 2.3.2010 - L 5 AS 54/10 B ER).
2. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 verstößt auch nicht gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art 24 Abs 2 EGRL 38/2004, soweit Leistungen zum Lebensunterhalt begehrt werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren vom Beklagten die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum vom 1. Dezember 2010 bis 28. Februar 2011.
Die Klägerinnen sind lettische Staatsbürgerinnen und leben nach eigenen Angaben seit 2007, ausweislich des Kindergeldbescheides seit Mai 2008 in Deutschland. Die Klägerin zu 2) ist die im Jahr 2005 geborene Tochter der Klägerin zu 1), beiden wurde eine Freizügigkeitsbescheinigung nach § 5 FreizügigkeitsG/EU ausgestellt. Die Klägerin zu 1) heiratete im März 2009 in Dänemark ihren Ehemann mit sudanesischer Staatsbürgerschaft, ist im Besitz einer am 18. Mai 2010 ausgestellten unbefristeten und unbeschränkten Arbeitsberechtigung-EU und gebar im März 2011 ihr zweites Kind.
Die Klägerin zu 1) hatte vom 9. Februar 2009 bis 18. Januar 2010 ein Gewerbe zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit als Zimmermädchen angemeldet. Die Ausübung der Tätigkeit als Zimmermädchen musste die Klägerin zu 1) am 18. Januar 2010 aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Die Familie erhielt (bis Januar 2010 ergänzend) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom Beklagten, zuletzt bewilligt mit vorläufigem Bescheid vom 8. Juni 2010 für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2010.
Am 9. November 2010 beantragten die Klägerinnen die Weiterbewilligung der Leistungen. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17. November 2010 mit der Begründung ab, das Aufenthaltsrecht der Klägerinnen ergebe sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Hiergegen erhoben die Klägerinnen am 26. November 2010 Widerspruch.
Am 6. Dezember 2010 beantragten die Klägerinnen beim Sozialgericht Berlin den Erlass einer einstweiligen Anordnung. Sie vertraten die Ansicht, dass ihnen aufgrund der Erwerbstätigkeit der Klägerin zu 1) ein Erwerbstätigenstatus zustehe. Mit Beschluss vom 21. Dezember 2010 wies die erkennende Kammer den Antrag der Klägerinnen zurück. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass sich aus der früheren Tätigkeit der Klägerin zu 1) unabhängig von der Frage, ob sie im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung ausgeübt wurde, kein Aufenthaltsrecht (mehr) ergebe, der Klägerin zu 1) allein ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitssuche zustehe und die deswegen nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von einem Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld II ausgeschlossen sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2011, dem Klägervertreter zugegangen am 3. Februar 2011, wies der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies auf den Ausschluss nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II.
Auf die gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin erhobene Beschwerde hob das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg mit Beschluss vom 28. Februar 2011 die erstinstanzliche Entscheidung teilweise auf und verpflichtete den Beklagten zur vorläufigen Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum von März bis August 2011. Zur Begründung nahm es auf eine Folgenabwägung bei unklarer Rechtslage Bezug.
Am 3. März 2011 erhobenen die Klägerinnen gegen den Ablehnungsbescheid Klage und beantragten zunächst, ihnen unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides Arbeitslosengeld II für den Zeitraum von Dezember 2010 bis einschließlich Mai 2011 zu gewähren. Mit Bescheid vom 21. April 2011 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen in Umsetzung des Beschlusses des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vorläufig Leistungen für den Zeitraum von März bis August 2011 in Höhe von insgesamt ca. 460 EUR monatlich, am 5. Juli 2011 erging ein ebenfalls vorläufiger Änderungsbescheid für die Monate März und April 2011. Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2012 erklärte der Klägervertreter den Rechtsstreit für die Zeit ab 1. März 2012 für erledigt.
Die Klägerinnen sind der Ansicht, dass der Ausschluss in § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II europarechtswidrig sei und ihnen daher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren sind. Der Ausschuss nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II gelte jedenfalls nur für Personen, die erstmalig zum Z...