Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Erhöhung der angemessenen Unterkunftskosten durch Umzug. fehlende vorherige Zusicherung. Erforderlichkeit des Umzuges. Angemessenheitsgrenze bzw -prüfung in Berlin. Ermittlung anhand des Berliner Miet- sowie Betriebskostenspiegels für einen 3-Personen-Haushalt
Orientierungssatz
1. Die Einholung der vorherigen Zusicherung des Grundsicherungsträgers zu den Aufwendungen für eine neue Unterkunft nach § 22 Abs 2 SGB 2 hat nur die Bedeutung einer Obliegenheit, deren Nichtbeachtung keine Auswirkungen hat, wenn der Umzug gemäß § 22 Abs 2 S 2 SGB 2 erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind (vgl LSG Berlin-Potsdam, Beschluss vom 25.6.2007 -L 10 B 854/07 AS ER = NJ 2007, 574).
2. Im Einzelfall kann der Umzug einer Hilfebedürftigen wegen der Lage der früheren Wohnung (4. Obergeschoss ohne Fahrstuhl), ihrer Belastungssituation als alleinerziehende Mutter zweier Kinder im Alter von etwa 2 1/2 Jahren und 7 Monaten sowie durch das Vorliegen weiterer gesundheitlicher Beeinträchtigungen erforderlich sein.
3. Die Angemessenheit der Unterkunftskosten im Land Berlin bemisst sich nach den Mittelwerten des qualifizierten Berliner Mietspiegels sowie den Werten des Berliner Betriebskostenspiegels, die jeweils im Verhältnis ihres Anteils am Wohnungsbestand zu gewichten sind.
Tenor
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 23. Juli 2008 in der Fassung des Bescheides vom 5. August 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2008 verpflichtet, den Klägern für den Zeitraum vom 1. August 2008 bis 31. Januar 2009 Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 541,60 EUR zu gewähren.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger begehren die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung nach einem Umzug in eine teurere Wohnung.
Die Klägerin zu 1) ist alleinerziehende Mutter der im Februar 2006 und Februar 2008 geborenen Kläger zu 2) und 3.) Die Kläger beziehen seit Januar 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Bis Juli 2008 bewohnten sie eine 63,19 qm große 2-Zimmer-Wohnung im 4. OG der H-O-Straße Nr. .. in 1… B…
zu einem monatlichen Mietzins von 488,06 EUR. Das Haus verfügt nicht über einen Aufzug. Der Beklagte erkannte seit August 2007 angemessene Kosten in Höhe von 477,61 EUR an.
Die Klägerin zu 1) leidet an rheumatoider Arthritis, einer entzündlichen Gelenkerkrankung, sowie an einer Hashimotothyreoiditis, einer Autoimmumerkrankung, die zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse führt. Infolge dieser Erkrankungen leidet die Klägerin zu 1) an chronischer Erschöpfung, schneller Ermüdbarkeit, Muskelschwäche und multiplen Schmerzen.
Nach der Geburt des zweiten Kindes beantragte die Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 15. März 2008, beim Beklagten am 9. Mai 2008 eingegangen, die Zusicherung für einen Umzug in eine 83 qm große, im Hochparterre ihres Hauses gelegene Wohnung zu einem monatlichen Mietzins von 576,99 EUR, einschließlich 73,13 EUR an Heizkostenvorauszahlungen. Zur Begründung führte sie an, dass sie nicht die Kraft habe, ihre Kinder in das 4. Obergeschoss des Hauses zu tragen. Mit Bescheid vom 5. Juni 2008 lehnte der Beklagte die Erteilung einer Zusicherung ab.
Mit Bescheid vom 23. Juli 2008 bewilligte der Beklagte den Klägerin Arbeitslosengeld II für die Zeit von August 2008 bis Januar 2009 unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 468,14 EUR. Zum 1. August 2008 schloss die Klägerin zu 1) einen Mietvertrag über die Wohnung im Hochparterre und bezog diese. Mit Bescheid vom 5. August 2008 lehnte der Beklagte die Übernahme der höheren Mietkosten mit der Begründung ab, der Umzug sei nicht erforderlich gewesen. Hiergegen erhoben die Kläger Widerspruch, der mit Bescheid vom 19. November 2008 zurückgewiesen wurde.
Mit der am 17. Dezember 2008 erhobenen Klage verfolgen die Kläger ihr Begehren auf Übernahme höherer Unterkunftskosten weiter. Einen zugleich gestellten Antrag, den Beklagten im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zur vorläufigen Übernahme höherer Unterkunftsosten zu verpflichten, lehnte das Gericht mit Beschluss vom 16. Januar 2009 mit der Begründung ab, dass die Erforderlichkeit des Umzuges und insbesondere gesundheitliche Beeinträchtigungen der Klägerin zu 1) nicht glaubhaft gemacht seien.
Die Kläger sind der Ansicht, dass der Umzug erforderlich gewesen sei, da die Klägerin zu 1) als allein erziehende Mutter zweier Kleinkinder durch die in der 4. Etage gelegene Wohnung physisch überfordert gewesen sei. Beim Auf- und Absteigen der Treppen habe sie ihre Kinder nicht ausreichend sichern können. Die Klägerin zu 1) betont, dass der Umzug bereits aufgrund ihrer Belastungssituation als alleinerziehende Mutter gerechtfertigt sei, so dass es auf ihre Erkrankungen nicht ankomme. Die Kläger begehren die in Berlin für drei Personen angemessenen Unterkunftskosten von monatlich 542,00 EUR und sind b...