Entscheidungsstichwort (Thema)
Abrechnungsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung. Medizinisches Versorgungszentrum. Beschäftigung von Assistenten. keine Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs. Darlegungspflichten des Vertragsarztes
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage der Aufrechterhaltung eines übergroßen Praxisumfangs bei kooperativer Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit.
2. Liegt ein übergroßer Praxisumfang vor, ist es an dem geprüften Vertragsarzt, besondere Umstände darzulegen, die schlüssig die Annahme entkräften können, die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten stehe im Zusammenhang mit der festgestellten Fallzahl.
Orientierungssatz
Aktenzeichen beim LSG Berlin-Potsdam: L 7 KA 34/16
Tenor
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Honorarfestsetzungsbescheides für das Quartal IV/2012 vom 14. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. März 2014 und unter Berücksichtigung des Änderungsbescheides vom 14. August 2014 verurteilt, das Honorar ohne Kürzung aufgrund der Beschäftigung von Weiterbildungsassistenten auszuzahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Kürzung des Honorars für die vertragsärztliche Tätigkeit im Quartal IV/2012 wegen der Tätigkeit einer Weiterbildungsassistentin.
Die Klägerin ist seit dem 01.10.2007 als Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Im streitbefangenen Quartal IV/2012 waren bei der Klägerin zehn angestellte Ärzte im Umfang von 9,5 Versorgungsaufträgen, und zwar als Fachärzte für Laboratoriumsmedizin bzw. Mikrobiologie und Infektionsepidemologie tätig. Ab 16.07.2012 war für die im MVZ tätige Ärztin Dr. C. die Genehmigung zur Tätigkeit einer Weiterbildungsassistentin zur Weiterbildung im Gebiet Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie (Frau Dr. K. bis 15.01.2013) erteilt worden. Frau Dr. C. ist bei der Klägerin als angestellte Ärztin tätig; auf den zu den Gerichtsakten gereichten Anstellungsvertrag vom 28.06.2007 wird Bezug genommen.
Bereits vor Erlass des Honorarbescheides für das Quartal IV/2012 hörte die Beklagte die Klägerin zur Abrechnung im Quartal III/2012 mit dem Hinweis an, im Rahmen einer routinemäßigen Überprüfung, ob die Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten zu einer Ausdehnung der Praxistätigkeit geführt habe, sei aufgefallen, dass die Ärztinnen Dr. C. und Dr. M. eine überproportionale Fallzahl aufwiesen. Die Beklagte reichte dazu auf Nachfrage eine Berechnung für die bei der Klägerin tätigen Ärzte nach, aus der sich die Verteilung der Arztfälle in absoluten Zahlen sowie prozentual und die Umrechnung auf sog. (relative) Behandlungsfälle ergab. Auf die Ärztin Dr. C. entfielen demnach 43,02 % und auf die Ärztin Dr. M. 13,83 % aller Arztfälle der Praxis. Die Klägerin machte geltend, die Abrechnungsunterlagen der Beklagten ergäben keine Fallzahlen/Arzt, sondern zeigten nur die Euro-Summen/Arzt an. Diese entsprächen den für das Quartal III/2012 angegebenen Unterschieden. Sehe man sich das Quartal III/2011 an, in dem kein Weiterbildungsassistent beschäftigt worden sei, habe der Anteil von Frau Dr. C. am Honorar ebenfalls 47 % und der von Frau M. 12,61 % betragen. In den folgenden Quartalen, z.B. im Quartal I/2012, hätte sich der Abrechnungsanteil von Frau Dr. M. verringert, obwohl sie einen Weiterbildungsassistenten beschäftigt habe (10, 02 %, Frau Dr. C. weiterhin 47%). Diese Unterschiede in den Abrechnungen der einzelnen MVZ-Ärzte seien in der seit vielen Jahren bestehenden Arbeitsorganisation im Labor begründet. Frau Dr. C. sei für die Mikrobiologie im Labor verantwortlich und validiere alle Befunde ihrer Abteilung in der Regel allein. Das mache schon ungefähr ein Viertel des KV-Umsatzes der Klägerin aus. Zusätzlich helfe sie bei der Endvalidation der Befunde; somit sei ihr Anteil besonders hoch.
Dem Honorarbescheid für das Quartal IV/2012 waren neben der Rechnungszusammenstellung für die Gesamtpraxis und den zehn Rechnungszusammenstellungen für die einzelnen Ärzte für die Ärztin Dr. C. eine Anlage mit der Überschrift “Weiterbildungsassistent (WBA - Beschäftigung eines Arztes gemäß Urteil vom Bundessozialgericht (BSG vom 17.03.2010, B 6 KA 13/09 R)„ beigefügt. In dieser wurde zunächst unter der Zwischenüberschrift “Basiswert zur Prüfung der Begrenzung„ der Tätigkeitsumfang des Arztes, die Fallzahl (aktuell) des Arztes, die Fallzahl gewichtet nach Tätigkeitsumfang, das Bruttohonorar des Arztes sowie der Fallwert (Bruttohonorar/Fallzahl gewichtet) mitgeteilt. Für die Ärztin Dr C. ergab dies auf der Grundlage von 93.321,14 Fällen und einem Bruttohonorar von 2.200.208,35 € einen Fallwert von 23,58 €.
Unter einer weiteren Zwischenüberschrift “Prüfung Praxisumfang (P1)„ wurde dann bezogen auf die sog. “Durchschnittliche Fallzahl WBA-Fachgruppe„ (gewichtet nach Tätigkeitsumfang und nach Berücksichtigung der Entwicklung des Fachgruppendurchschnittes) in Höhe von 9.209,36 Fälle eine “Fallzahl maximal (200%)„ in Höhe von 18.416,72 Fällen...