Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Vollversorgung mit Arzneimitteln ohne Begrenzung auf den hierfür festgesetzten Festbetrag auch bei nicht objektiv feststellbarer allergischer Unverträglichkeit von Generika

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Vollversorgung mit Arzneimitteln ohne Begrenzung auf den hierfür festgesetzten Festbetrag hat auch dann zu erfolgen, wenn die allergische Unverträglichkeit von Generika nicht objektiv feststellbar ist, da selbst eine Austestung unter stationären Bedingungen aufgrund der möglichen vitalen Gefährdung nicht möglich ist, seitens eines Gutachters die anamnestische Beschreibung eines anaphylaktischen Schocks jedoch als plausibel bewertet wird.

 

Orientierungssatz

Zu Leitsatz vgl BSG vom 3.7.2012 - B 1 KR 22/11 R = BSGE 111, 146 = SozR 4-2500 § 35 Nr 6.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 23.06.2021; Aktenzeichen B 1 KR 56/20 B)

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 10. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 2013 verurteilt, die Klägerin abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung gegen Vorlage einer ärztlichen Verordnung mit dem Arzneimittel Nexium Mups 40 mg ohne Beschränkung auf den Festbetrag zu versorgen sowie der Klägerin für die seit dem 10. Juli 2012 durch auf ärztliche Verordnung erfolgten Erwerb des Arzneimittels Nexium MUPS 40 mg durch Beschränkung auf den Festbetrag, über den Eigenanteil entstandenen Kosten in Höhe von 1.664,63 € zu erstatten. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in Höhe von 93 %. Im Übrigen trägt die Klägerin ihre Kosten selbst.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Übernahme der Kosten für das Medikament Nexium MUPS 40 mg ohne Begrenzung auf den Festbetrag.

Die Klägerin ist bei der Beklagten versichert. Sie leidet an einer Vielzahl von Erkrankungen und multiplen Allergien sowie Asthma.

Ausweislich des Allergiepasses der Klägerin leidet Sie an einer Überempfindlichkeit gegen die Stoffe Gatrografin, Xylozitin, Xylocain, Bupivacani, Roxithromyin, Gelonida, Faustan (Diazepam), Remergil, Movicol, Metamizol und Targin. Daneben besteht eine Vielzahl weiterer Unverträglichkeiten. Aufgrund chronischer Magen-Darm-Probleme wurde der Klägerin von den behandelnden Ärztin das Medikament Nexium MUPS 40 mg verordnet, welches die Klägerin seit Oktober 2004 einnimmt.

Einen Antrag der Klägerin auf Erstattung der den Festbetrag übersteigenden Kosten für das Medikament Nexium MUPS lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. April 2011 ab und verwies die Klägerin auf Generika.

Der Klägerin wurde seitens einer Ärztin, auf die die Klägerin von der Beklagten anstelle der Hausärztin wegen Alternativen zu Nexium MUPS verwiesen worden war, nach der Anamnese, dass sie auf Omeprazol allergisch reagiert habe, am 26. April 2011 Lansoprazol 1A Pharma 15 mg verordnet. Nach Erwerb des Medikaments am 27. April 2011 erfolgte am 28. April 2011 eine Behandlung der Klägerin in der Rettungsstelle des U.Krankenhauses Berlin. Nach der Anamnese lag eine allergische Reaktion der Klägerin nach der erstmaligen Einnahme von Lansoprazol vor. Bei Einlieferung in der Rettungsstelle war die Klägerin, die zuvor Loratadin und Predni genommen hatte, beschwerdefrei. Im Befundbericht wurde die Absetzung des verdächtigen Lansoprazol und Verordnung einer Alternative empfohlen.

Am 2. Juli 2012 beantragte die Klägerin erneut eine Übernahme der Kosten für Nexium MUPS. Sie erklärte, dass alle Versuche mit Austauschpräparaten jedes Mal in der Notaufnahme endeten. In den Kliniken vorgenommene Medikamentengabe der Austauschprodukte u. a. Lansoprazol und Omeprazol hätten ebenfalls mit allergischen Reaktionen geendet. Sie verwies dabei auf den ärztlichen Befundbericht der Notaufnahme vom 28. April 2011.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10. Juli 2012 ab und verwies die Klägerin auf die Alternativpräparate Esomeprazol Heumann und Esomeprazol ABZ (die den gleichen Wirkstoff - Esomeprazol 40 mg, aber eine andere Galenik aufweisen).

Im Oktober 2012 befand sich die Klägerin für zwei Tage in stationärer Behandlung zur Abklärung von Bauchschmerzen. Es wurden bei der Klägerin neben einer chronischen Gastritis und einer Vielzahl weiterer Erkrankungen multiple Allergien mit Zustand nach anaphylaktischen Schocks diagnostiziert.

Mit Schreiben vom 4. und 13. November 2012 legte die Klägerin Widerspruch gegen die Ablehnung der Übernahme der Kosten ein. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2013 zurückgewiesen.

Mit ihrer am 13. März 2013 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

In der Zeit vom 1. November 2011 bis zum Tag der Entscheidung erwarb die Klägerin das Medikament Nexium MUPS 40 mg unter Zahlung der folgenden Festpreisdifferenzen:

1. November 2011:

93,27 €

24, Januar 2012:

94,93 €

23. April 2012

94,93 €

6. August 2012

124,95 €

5. November 2012

124,95 €

11, Februar 2013

124,95 €

18. Juni 2013

124,95 €

19, Dezember 2013

124,95 €

11. April 2014

124,95 €

14. Oktober...

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