Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zum Lebensunterhalt. Nachrang der Sozialhilfe. Anspruch auf Wohngeld
Leitsatz (amtlich)
Ein Ausschluss von den Leistungen nach dem SGB XII kann beim bloßen Bestehen eines Anspruchs auf Wohngeld nach dem WoGG nicht allein auf den in § 2 Abs 1 SGB XII verankerten Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe gestützt werden.
Nachgehend
Tenor
Der Bescheid vom 29.09.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.12.2017 wird aufgehoben und der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.12.2017 bis zum 31.12.2017 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in Höhe von 64,84 € und für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 30.06.2018 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII in Höhe von monatlich 71,87 € zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger ¾ (drei Viertel) seiner notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten (noch) um die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII für den Zeitraum vom 01.12.2017 bis zum 30.06.2018.
Der 1952 geborene Kläger bewohnt eine Wohnung unter der im Rubrum genannten Anschrift in B., für die im streitigen Zeitraum eine monatliche Bruttowarmmiete in Höhe von 440,18 € (Miete 324,18 € + Betriebskostenvorauszahlung 89,00 € + Heizkostenvorauszahlung 27,00 €) zu zahlen war. Der Kläger verfügte im streitigen Zeitraum über Einkünfte aus einer Altersrente in Höhe von monatlich 798,93 €. Weitere Einkünfte hatte der Kläger im streitigen Zeitraum nicht, insbesondere bezog er seit dem 01.12.2017 kein Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) mehr.
Der Kläger zahlte im streitigen Zeitraum Beiträge für eine von ihm abgeschlossene Haftpflichtversicherung in Höhe von monatlich 8,78 € und für eine von ihm abgeschlossene Hausratversicherung im Zeitraum vom 01.12.2017 bis zum 31.12.2017 in Höhe von 5,81 € und im Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 30.06.2018 in Höhe von monatlich 5,84 €. Ferner schloss der der Kläger im Jahr 2003 eine Sterbegeldversicherung (Versicherungssumme bei Tod der versicherten Person in Höhe von 3.000,00 €; Leistung bei Unfalltod zusätzlich 3.000,00 €) ab, für die er im streitigen Zeitraum Beiträge in Höhe von monatlich 8,76 € zahlte. Das Bezugsrecht im Todesfall räumte der Kläger einen vom ihm bereits beauftragten Bestattungsunternehmen ein.
Im Zeitraum ab März 2016 bezog der Kläger vom Beklagten zunächst ergänzend Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII. Im Juli 2016 forderte der Beklagte den Kläger auf, einen Antrag auf Wohngeld zu stellen. Dieser Aufforderung kam der Kläger nach, woraufhin ihm für den für den Zeitraum von Juli 2016 bis einschließlich November 2017 Wohngeld nach dem Wohngeldgesetz (WoGG) in Höhe von monatlich 112,00 € bewilligt wurde (Bescheid des Wohngeldamts vom 26.09.2016). Der Beklagte hob die gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sodann mit Wirkung ab dem 01.10.2016 auf (Aufhebungsbescheid des Beklagten vom 26.09.2016).
Am 14.08.2017 stellte der Kläger beim Beklagten einen neuen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII und teilte mit, dass sich durch den Bezug von Wohngeld anstatt der Leistungen nach dem SGB XII seine Lebenssituation verschlechtert habe, weil hierdurch die mit dem „Berlin-Pass“ verbundenen Vergünstigungen und die Möglichkeit zur Nutzung des Sozialtickets für öffentliche Verkehrsmittel weggefallen seien. Er mache daher von seinem zustehenden Wahlrecht Gebrauch und beantrage wieder Leistungen nach dem SGB XII.
Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29.09.2017 ab, weil der Kläger seinen notwendigen Lebensunterhalt aus dem zur Verfügung stehenden Einkommen und/oder Vermögen bestreiten könne. Es werde empfohlen, rechtzeitig einen neuen Antrag auf Wohngeld zu stellen. Dem Ablehnungsbescheid fügte der Beklagte Berechnungsbögen für die Monate August 2017 und September 2017 bei, in denen er das Wohngeld in Höhe von monatlich 112,00 € als Einkommen berücksichtigte.
Hiergegen legte der Kläger mit am 05.10.2017 beim Beklagten eingegangenem Schreiben Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, dass er ab dem 01.12.2017 einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII habe, weil zu diesem Zeitpunkt die Wohngeldzahlungen endeten. Er sei nicht verpflichtet, Wohngeld in Anspruch zu nehmen.
Mit Schreiben vom 17.10.2017 bestätigte der Beklagte zunächst den Eingang des Widerspruchs und verwies auf den in § 2 Abs. 1 SGB XII geregelten Nachranggrundsatz. Der Kläger sei in der Lage seinen notwendigen Lebensunterhalt aus dem Einkommen aus der Altersrente und dem Wohngeld zu bestreiten. Soweit die Bewilligung von Wohngeld im November 2017 ende, werde der Kläger hiermit aufgefordert, unverzüglich einen neuen Wohngeldantrag zu stellen. Sollte eine solche Antragstellung nicht erfolgen, müsse davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich weigere, zu...