Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlagebeschluss an das BVerfG. Begrenzung des Arbeitsentgelts während einer Tätigkeit als Minister, Staatssekretär oder Stellvertreter des Ministers der ehemaligen DDR. Verfassungswidrigkeit
Orientierungssatz
Ist § 6 Abs 2 des Gesetzes zur Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen des Beitrittsgebiets (Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz - AAÜG) vom 25.7.1991 (BGBl I 1991, 1606, 1677) idF des Ersten Gesetzes zur Änderung des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜGÄndG 1) vom 21.6.2005 (BGBl I 2005, 1672) insoweit mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar, als der Verdienst während einer Tätigkeit als Minister, Staatssekretär oder Stellvertreter des Ministers der ehemaligen DDR bei der Berechnung einer Rente nach dem SGB 6 nur bis zum jeweiligen Betrag der Anl 5 zum AAÜG berücksichtigt werden darf?
Nachgehend
Gründe
Gegenstand der Vorlage ist die Frage, ob § 6 Absatz 2 Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikel 3 Grundgesetz verstößt. Diese Vorschrift ordnet Rentenkürzungen für Minister und andere konkret aufgelistete Funktionäre der DDR an.
Minister gehörten in der DDR einem speziellen Altersversorgungssystem für "Mitarbeiter des Staatsapparats" an. Insgesamt existierten in der DDR eine Vielzahl besonderer Systeme der Altersversorgung für bestimmte Berufsgruppen, beispielsweise für "verdienstvolle Vorsitzende von Produktionsgenossenschaften", für Mitarbeiter der "technischen Intelligenz", für Ärzte, Apotheker, für hauptamtliche Mitarbeiter der SED und der Blockparteien etc. Diese besonderen Versorgungssysteme wurden im Zuge der Wiedervereinigung geschlossen. Die Rentenansprüche von 31 Zusatz- und Sonderversorgungssystemen wurden in das System der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland übergeleitet. Ausgangspunkt der Rentenberechnung ist in diesen Fällen der Arbeitsverdienst, der in der DDR erzielt wurde. Dieser Arbeitsverdienst wird höchstens bis zur allgemeinen Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt. Diese entspricht etwa dem 1,8fachen des Durchschnittsverdienstes eines Arbeitnehmers der DDR. Für Minister der DDR und andere speziell aufgezählte Funktionsgruppen ist eine Sonderregelung in § 6 Absatz 2 AAÜG getroffen. Der Arbeitsverdienst dieses Personenkreises wird bei der Rentenberechnung höchstens bis zum einfachen Durchschnittsverdienst berücksichtigt.
Das Bundesverfassungsgericht hat bei zwei Vorgänger-Regelungen des § 6 Absatz 2 AAÜG festgestellt, dass sie nicht mit dem Grundgesetz vereinbar waren. Die Kürzung politisch überhöhter Rentenansprüche sei zwar verfassungsrechtlich zulässig. Der Gesetzgeber habe aber bei der Auswahl des betroffenen Personenkreises jeweils gegen das Gleichbehandlungsgebot des Artikel 3 Grundgesetz verstoßen (Urteil vom 28. April 1999, Aktenzeichen 1 BvL 22/95; Urteil vom 23. Juni 2004, Aktenzeichen 1 BvL 3/98). Dem Gesetzgeber wurde jeweils aufgegeben, eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen. Die letzte Frist lief zum 30. Juni 2005 ab. Durch das Gesetz vom 21. Juni 2005 (in der Folge: Änderungsgesetz 2005) erhielt § 6 Absatz 2 AAÜG folgende Fassung:
Für Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem nach Anlage 1 oder Anlage 2 Nr. 1 bis 3 bis zum 17. März 1990, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt wurde als
1. Mitglied, Kandidat oder Staatssekretär im Politbüro der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands,
2. Generalsekretär, Sekretär oder Abteilungsleiter des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) sowie als Mitarbeiter der Abteilung Sicherheit bis zur Ebene der Sektorenleiter oder als die jeweiligen Stellvertreter,
3. Erster oder Zweiter Sekretär der SED-Bezirks- oder Kreisleitung sowie Abteilungs- oder Referatsleiter für Sicherheit oder Abteilungsleiter für Staat und Recht,
4. Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als ihre jeweiligen Stellvertreter,
5. Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates, Vorsitzender des Staatsrats oder Vorsitzender des Ministerrats sowie als in diesen Ämtern ernannter Stellvertreter,
6. Staatsanwalt in den für vom Ministerium für Staatssicherheit sowie dem Amt für Nationale Sicherheit durchzuführenden Ermittlungsverfahren zuständigen Abteilung I der Bezirksstaatsanwaltschaften,
7. Staatsanwalt der Generalstaatsanwaltschaft der DDR,
8. Mitglied der Bezirks- oder Kreis-Einsatzleitung,
9. Staatsanwalt oder Richter der I-A-Senate,
ist den Pflichtbeitragszeiten als Verdienst höchstens der jeweilige Betrag der Anlage 5 zugrunde zu legen.
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Der Kläger wurde 1925 geboren. Er wurde 1943 Anwärter der NSDAP und war bis 1945 Soldat der deutschen Wehrmacht. In der DDR trat der Kläger der Deutschen Bauernpartei bei und war zunächst hauptberuflich in deren Parteiapparat beschäftigt. Ab 1951 war er Mitglied des Pa...