Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Gewährung eines ergänzenden Darlehens für die Zeit bis zur erstmaligen Auszahlung einer Erwerbsminderungsrente. Unterzeichnung eines Rechtsmittelverzichts und einer Rückzahlungsvereinbarung als Voraussetzung für die Auszahlung
Orientierungssatz
1. Eine gesetzliche Grundlage dafür, die Auszahlung eines bereits bewilligten Darlehens iS des § 37 SGB 12 von einem Rechtsmittelverzicht abhängig zu machen, existiert nicht.
2. Soweit der Sozialhilfeträger auf die Rücksendung der unterschriebenen Rückzahlungsvereinbarung verweist, entbehrt auch dies als Voraussetzung der Auszahlung des Darlehens jeglicher gesetzlicher Grundlage.
Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung vorläufig bis zur vollständigen Tilgung des gewährten Darlehens durch den Antragsteller - hilfsweise bis zur Entscheidung in der Hauptsache - verpflichtet, dem Antragsteller das für den Monat September 2016 darlehensweise mit Bescheid vom 8. September 2016 bewilligte Darlehen in Höhe von 600,00 € umgehend auszuzahlen.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.
Dem Antragsteller wird Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab Antragstellung unter Beiordnung von Rechtsanwalt E., bewilligt.
Gründe
Der zulässige Antrag des Antragstellers ist begründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG).
Nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Zivilprozessordnung (ZPO) ist eine vorläufige Sicherung der Verwirklichung eines Rechts (Sicherungsanordnung) oder eine vorläufige Regelung eines Rechtsverhältnisses (Regelungsanordnung) dann geboten, wenn insoweit Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund vom Antragsteller glaubhaft gemacht sind.
Anordnungsanspruch umschreibt dabei das Glaubhaftmachen eines materiellen Rechts oder eines Rechtsverhältnisses, Anordnungsgrund steht für die Glaubhaftmachung von Tatsachen, die auf eine unmittelbare Gefährdung des Rechts oder Veränderung des Rechtsverhältnisses hinweisen und damit die Eilbedürftigkeit von gerichtlichen Maßnahmen begründen. Mit dem Begriff der Glaubhaftmachung ist im vorläufigen Rechtsschutz ein geringeres Beweismaß eingeführt als es nach allgemeinen Beweisgrundsätzen gilt (vergl. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG, § 920 Abs. 2 ZPO, § 23 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - SGB X - mit der Gesetzesdefinition der Glaubhaftmachung).
Der Antragsteller hat - gemessen daran - das Bestehen eines Anordnungsanspruches (A.) und eines Anordnungsgrundes (B.) glaubhaft gemacht.
A. Der Antragsteller hat Anspruch auf umgehende Auszahlung des mit Bescheid vom 8. September 2016 bewilligten Darlehens nach § 37 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Zwölftes Buch - (SGB XII) in Höhe von 600 €.
1. § 37 Abs. 1 SGB XII bestimmt, dass, sofern im Einzelfall ein von den Regelbedarfen umfasster und nach den Umständen unabweisbar gebotener Bedarf auf keine andere Weise gedeckt werden kann, auf Antrag hierfür notwendige Leistungen als Darlehen erbracht werden sollen.
Eine Regelung über die Fälligkeit trifft das SGB XII nicht. Es verbleibt somit bei der Regelung des § 41 Sozialgesetzbuch - Erstes Buch - (SGB I), wonach Ansprüche auf Sozialleistungen mit ihrem Entstehen fällig werden, soweit die besonderen Teile des Sozialgesetzbuchs, also auch des SGB XII, keine Regelung enthalten.
Eine Fälligkeit erst nach Bestandskraft eines Darlehensbescheides im Sinne des § 37 SGB XII ließe das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum außer Betracht. Es gilt insoweit der allgemeine, § 42 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Zweites Buch - (SGB II) zu entnehmende, Grundsatz, dass existenzsichernde Leistungen, sollen sie ihren Zweck erfüllen, im Voraus zu erbringen sind.
Gerade im Falle eines hier streitgegenständlichen Überbrückungsdarlehens bis zur Auszahlung einer monatlich nachschüssig zu erbringenden Erwerbsunfähigkeitsrente würde der Sinn und Zweck dieser Darlehensgewährung, nämlich die Sicherung des Existenzminimums bis zur Auszahlung der Rente, konterkariert, wenn man dieses Darlehen erst gewährt und dann mit der Auszahlung bis zur Bestandskraft des Bescheides wartet.
Insoweit erschließt sich dem Gericht auch nicht, aus welchem Rechtsgrund die Gewährung eines Darlehens im Sinne des § 37 SGB XII von einem Rechtsmittelverzicht abhängig gemacht wird. Eine gesetzliche Grundlage hierfür ist nicht vorhanden.
Soweit der Antragsgegner auf die Rücksendung der unterschriebenen Rückzahlungsvereinbarung verweist, entbehrt auch dies als Voraussetzung der A...