Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenerstattungsanspruch des für das Frauenhaus zuständigen Grundsicherungsträgers gegen den bisher örtlich zuständigen Träger bei Unterbringung der hilfebedürftigen Person

 

Orientierungssatz

1. Soweit eine Person in einem Frauenhaus Zuflucht sucht, ist nach § 36a SGB 2 der kommunale Träger am bisherigen Aufenthaltsort verpflichtet, den durch die Aufnahme im Frauenhaus zuständigen kommunalen Träger am Ort des Frauenhauses die Kosten für die Zeit des Aufenthalts im Frauenhaus zu erstatten.

2. Hierzu zählen u. a. die Kosten für Unterkunft und Heizung sowie die Kosten für die psychosoziale Betreuung der Zuflucht suchenden Person.

3. Bedient sich der kommunale Träger einer Leistungserbringung durch Dritte, so setzt eine rechtmäßige Leistungserbringung das Vorliegen einer Vereinbarung i. S. des § 17 Abs. 2 SGB 2 voraus.

4. Nur rechtmäßig erbrachte Leistungen können als tatsächliche Kosten nach § 36a SGB 2 erstattet werden. Die Gewährung von fiktiven Unterkunftskosten ist im Anwendungsbereich des SGB 2 rechtswidrig.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Berufung wird zugelassen.

Der Streitwert wird endgültig auf 3.369,96 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Höhe eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 36a Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die erwerbsfähige und hilfebedürftige Frau D. lebte im Zuständigkeitsbereich des beklagten Jobcenters und bezog dort gemeinsam mit ihrem Ehemann laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Am 13. Dezember 2013 trennte sie sich von ihrem Ehemann und begab sich am 14./15. Dezember 2013 in den Zuständigkeitsbereich des Jobcenters Wolfsburg, einer gemeinsamen Einrichtung (gE) der Bundesagentur für Arbeit und der klagenden Stadt im Sinne von § 44b SGB II. Vom 16. Dezember 2013 bis zum 12. Mai 2014 hielt sie sich in einem Frauenhaus in Wolfsburg auf, dessen freier Träger der Wolfsburger Frauenhaus e.V. ist. Das Jobcenter Wolfsburg bewilligte Frau E. laufende Leistungen nach dem SGB II für den Regelbedarf inklusive Mehrbedarfe für die Zeit vom 16. Dezember 2013 bis 31. Mai 2014 (Bescheide vom 4. Januar und 11. Februar 2014).

Mit Schreiben vom 28. Mai 2014 machte das Jobcenter Wolfsburg gegenüber dem Beklagten die Erstattung der für den Aufenthalt der Frau E. im Frauenhaus entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 5.061,60 € geltend. Dabei legte es einen Tagessatz von 34,20 € (11,43 € Unterkunfts- und 22,77 € Betreuungskosten) zugrunde. Der Beklagte zahlte im Dezember 2014 den Unterkunftskostenanteil (1.691,64 €). Hinsichtlich der Kosten der psychosozialen Betreuung bat der Beklagte um Übersendung der mit dem Frauenhaus getroffenen Leistungs- und Vergütungsvereinbarung im Sinne des § 17 Abs. 2 SGB II (Schreiben vom 1. Dezember 2014). In der Folgezeit teilte der Beklagte mit, dass er nicht zur Erstattung der Betreuungsleistungen verpflichtet sei, da eine Vereinbarung im Sinne von § 17 SGB II von der Klägerin nicht habe vorgelegt werden können (Schreiben vom 13. Dezember 2016).

Die Klägerin hat am 9. August 2017 Klage erhoben und begehrt die Zahlung des noch ausstehenden Betrages. Die von der Klägerin mit dem Frauenhaus 2007 getroffene Vergütungsvereinbarung sei auf Grundlage von § 75 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) geschlossen worden, aber auch auf der Grundlage von § 6 SGB II begründet. An die Vergütungsvereinbarung dürften keine zu hohen Anforderungen gestellt werden (Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 8. Mai 2015 - L 12 AS 1955/14 -).

Der Beklagte erwidert, die Klägerin habe zwar eine umfassende Vereinbarung im Sinne von § 17 SGB II vorgelegt. Diese enthalte aber keine aussagekräftige Vergütungsvereinbarung. Es sei nicht erkennbar, wie sich die geltend gemachte Pauschale zusammensetze.

In der Folge hat die Klägerin verschiedene Unterlagen vorgelegt, aus denen sich die Berechnung der Betreuungspauschale ergeben soll (Vermerk der Klägerin vom 6. November 2003 “Wolfsburger Frauenhaus e.V. Berechnung und Anhebung des Tagessatzes auf 34,20 €„, Vermerk der Klägerin vom 13. Juli 2005 “Wolfsburger Frauenhaus e.V. Kostenerstattung ab 01.08.2005„, eMail/Vermerk der Klägerin vom 6. Juni 2006 zur Umsetzung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20. Juli 2006, Vermerk der Klägerin vom 30. November 2007 “Wolfsburger Frauenhaus e.V. Kostenerstattung für auswärtige Unterbringung„, Vermerk der Klägerin vom 26. Juli 2010 “Wolfsburger Frauenhaus e.V. Festlegung des Tagessatzes 2010„, Vermerk der Klägerin vom 22. Mai 2014 “Überprüfung Tagessatzberechnung/Kosten der Unterkunft Stand 2013„, Vermerk der Klägerin vom 18. Mai 2015 “Finanzierungsübersicht Frauenhaus - Stand 2014„). Wegen der Einzelheiten wird auf diese Bezug genommen. Die Beklagte trägt ergänzend vor, es würden durch das Frauenhaus verschiedene Leistungen zur psychischen Stabilisierung als unabdingbare Voraussetzung für eine Eingliederung in das Erwerbsleben erbracht we...

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