Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Rücknahme eines rechtswidrig begünstigenden Verwaltungsaktes. Nachweis der Rechtswidrigkeit. Beweisanforderung. Vollbeweis. Wahrscheinlichkeit. keine Beweiserleichterung. Abgrenzung zum materiellen Recht. Rentenbescheid
Orientierungssatz
Für die Feststellung der Rechtswidrigkeit bei der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsaktes (hier: Rentenbescheid) gem § 45 SGB 10 ist der Vollbeweis erforderlich. Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit reicht nicht aus. Besondere Beweiserleichterungen sind nicht vorgesehen. Das gilt unabhängig davon, ob die Beweisanforderungen, die zum Erlass des Verwaltungsaktes geführt haben, andere waren, wie beispielsweise die nur mit einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit festzustellende Kausalität in der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn die Kammer hält es insbesondere unter angemessener Mitberücksichtigung der Bestandskraft des zurückzunehmenden Bescheides für geboten, die Beweiserleichterung im materiellen Recht nicht auf das formelle Verfahrensrecht bei der Feststellung der Rechtswidrigkeit zu übertragen. (Abgrenzung von BSG vom 2.11.1999 - B 2 U 47/98 R = SozR 3-1300 § 48 Nr 67).
Nachgehend
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Weitergewährung einer Witwenrente.
Der Ehemann der Klägerin, Herr H D, geboren ... 1929, verstarb ... 2001. Er war mit der Klägerin seit ... 1952 verheiratet. Herr D arbeitete als Betriebsmaurer und Maschinist bei der B-Stadtwerke GmbH, wobei er in Ausübung seiner betrieblichen Tätigkeiten einer Asbesteinwirkung ausgesetzt war. Anhand der arbeitstechnischen Ermittlungen der Beklagten wurde u. a. für den Zeitraum vom 17. August 1970 bis einschließlich 31. Januar 1986 eine Asbestexposition von 20,88 Faserjahren festgestellt. Im Verwaltungsverfahren der Beklagten zur Prüfung der Frage, ob bei dem Ehemann der Klägerin die Voraussetzungen zur Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) - Asbeststaublungenerkrankung, Asbestose oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura (des Brustfells) - vorliegen, wurden fachpathologische Gutachten des Prof. Dr. M vom 11. April 2002 (Bl. 85 ff. Verw.-A.) sowie des Prof. Dr. D vom 29. April 2002 (Bl. 96 ff. Verw.-A.) eingeholt. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 25. Oktober 2002 (Blatt 218 ff. Verw.-A.) wurde gegenüber der Klägerin eine Witwenrente festgesetzt. Zugleich erkannte die Beklagte die Asbestose des verstorbenen H D als Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur BKV an. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass diese Berufskrankheit für den Tod des Ehemannes der Klägerin ursächlich gewesen sei. Von Amts wegen holte die Beklagte hernach ein weiteres Gutachten ein (Gutachten Dr. S vom 11. Dezember 2002, Bl. 242 ff. Verw.-A.). Daraufhin wandte sie sich an die Klägerin mit Schreiben vom 05. März 2003 (Bl. 252 f. der Verw.-A.) und wies diese vorsorglich auf eine evtl. Rücknahme des Bescheides vom 25. Oktober 2002 hin. Nachdem die Beklagte eine abschließende Stellungnahme des Dr. B eingeholt hatte (Stellungnahme vom 21. Mai 2003, Bl. 256 f. Verw.-A.) und die Klägerin mit Schreiben vom 28. August 2003 (Bl. 258 f. Verw.-A.) angehört worden war, erließ die Beklagte den angefochtenen Bescheid vom 25. September 2003 (Bl. 265 ff. Verw.-A.). Hiermit nahm sie den Bescheid vom 25. Oktober 2002 unter Bezugnahme auf § 45 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das öffentliche Interesse an der Berichtigung des Verwaltungsaktes höher zu werten sei als das nicht schutzwürdige Vertrauen der Klägerin in dessen Bestand. Unter Berufung auf das Gutachten des Dr. S und die Stellungnahme des Dr. B nehme sie nunmehr an, dass der Tod des Herrn D nicht ursächlich auf die Berufskrankheit zurückzuführen sei. Die Rentenleistung wurde daraufhin mit Ablauf des 30. September 2003 eingestellt. Auf den Widerspruch der Klägerin erging am 11. Juni 2004 ein zurückweisender Widerspruchsbescheid (Bl. 294 ff. Verw.-A.).
Die Klägerin hat am 22. Juni 2004 Klage erhoben. Sie begehrt die Fortgewährung einer Witwenrente über den 30. September 2003 hinaus. Sie ist insbesondere der Rechtsansicht, dass die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 45 SGB X nur dann möglich sei, wenn sich der aufzuhebende Verwaltungsakt mit Gewissheit als rechtswidrig erweise. Der mit Vollbeweis zu erbringende Nachweis der Rechtswidrigkeit sei zwingende Tatbestandsvoraussetzung, wobei der Beklagten die Beweislast obliege. Da anhand der medizinischen Ermittlungen nicht ausgeschlossen sei, dass ihr Ehemann an den Folgen der Berufskrankheit verstorben sein könnte, komme eine Rücknahme des sie begünstigenden Bescheides nicht in Betracht.
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, ihr ab dem 01. Oktober 2003 weiterhin eine Witwenrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu ge... |