Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. örtliche und sachliche Zuständigkeit. keine ambulant betreute Wohnmöglichkeit iS des § 98 Abs 5 SGB 12
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Gewährung des Pflegegeldes nach § 64 Abs 3 SGB 12 iVm § 37 Abs 1 S 3 Nr 3 Buchst b SGB 11 richtet sich gegen die Stadtgemeinde als örtlich und sachlich zuständigen Sozialhilfeträger gem §§ 97 Abs 1, 98 Abs 1 S 1 SGB 12.
2. Zumindest bei einer selbst gesuchten und von einem privaten Vermieter angebotenen Wohnung liegt keine Form einer ambulant betreuten Wohnmöglichkeit iS des § 98 Abs 5 SGB 12 vor. In diesen Fällen besteht kein Grund für eine Privilegierung des Aufenthaltsortes.
Tenor
I. Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin Pflegegeld nach § 64 Abs. 3 SGB XII in Höhe von monatlich 228,33 Euro ab dem 09.02.2010 und bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in dem Klageverfahren S 15 SO 33/10, längstens aber zunächst für die Dauer von sechs Monaten, zu gewähren.
Die Leistungen werden vorläufig erbracht und stehen unter dem Vorbehalt der Rückforderung.
Die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
II. Der Antragstellerin wird für das Antragsverfahren rückwirkend Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin B. bewilligt.
Gründe
I. Die Beteiligten streiten (noch) um die Gewährung von (Rest-)Pflegegeld nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB XII - Hilfe zur Pflege). Die am 09.08.1951 geborene Antragstellerin ist schwerstpflegebedürftig. Anerkannt ist ein GdB von 100 mit den Merkzeichen G und aG. Sie ist auf den Rollstuhl angewiesen. Von der Pflegekasse wurde sie in die Pflegestufe III eingestuft. Von dort erhält sie Pflegesachleistungen. Als Einkommen erhält die Antragstellerin in erster Linie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Im November 2008 zog die Antragstellerin von F-Stadt in der Samtgemeinde E., die im Bezirk des beigeladenen Landkreises liegt, (zurück) nach A-Stadt, wohl weil ihr die Bewältigung des Alltags in ihrer alten Wohnung und in einer ländlich geprägten Gegend zunehmend schwerer fiel (vgl. den Bericht des Sozialdienstes vom 04.03.2009, Bl. 55 der Behördenakte der Antragsgegnerin). In A-Stadt, wo sie bereits 1986 bis ca. 2001 wohnhaft war (Bl. 80 BA), bezog sie eine auch für eine Rollstuhlfahrerin geeignete Wohnung bei einem privaten Vermieter.
Die Antragstellerin wird von der Assistenzgenossenschaft A-Stadt ambulant gepflegt. Eine Verbindung zwischen der Vermietung der Wohnung und dem genossenschaftlich organisierten Pflegedienst besteht nicht.
Bereits unmittelbar nach dem Umzug nach A-Stadt kam es zu Unklarheiten im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit der Leistungsträger. Im Rahmen eines gerichtlichen Eilverfahrens vor dem Sozialgericht (S 15 SO 32/09 ER) bewilligte die Antragsgegnerin nach erfolgter Bedarfsfeststellung vorläufig nach § 43 SGB I Hilfe zur Pflege (Grundpflege und hauswirtschaftliche Verrichtung) sowie Eingliederungshilfe in einem Umfang von zunächst zwei Stunden täglich (Bescheid vom 05.03.2009, Bl. 65 BA).
Im Hinblick auf die Gewährung des (Rest-)Pflegegeldes heißt es in einem internen Vermerk der Antragsgegnerin (Bl. 72 BA), ein Anspruch bestehe nach § 64 Abs. 5 SGB XII nur, wenn damit die erforderliche Pflege in geeigneter Weise selbst sichergestellt werde. Das wäre nicht der Fall, wenn der Pflegebedarf mit der (gewährten) Leistung der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung (ISB) voll abgegolten sei und keine weitere Person tätig sei oder tätig sein müsse. Nach erneuter Bedarfsfeststellung durch das Gesundheitsamt bewilligte die Antragsgegnerin, Amt für Soziale Dienste - Sozialzentrum X. -, gleichwohl (allerdings noch immer vorläufig) Pflegegeld gemäß § 64 Abs. 3 SGB XII in Höhe von monatlich 224,98 Euro. Ermessenserwägungen lassen sich dem Bescheid vom 18.06.2009 nicht entnehmen. In dem angefügten Berechnungsbogen heißt es allerdings, von dem Pflegegeld bei schwerster Pflegebedürftigkeit in Höhe von 675,00 Euro seien “wg. Einsatz besond. Pflegekraft„ 450,02 Euro abgezogen worden.
Mit Schreiben vom 15.07.2009 gab der Beigeladene gegenüber der Antragsgegnerin nach “Prüfung der Sach- und Rechtslage„ und gemäß § 98 Abs. 5 SGB XII ein Kostenanerkenntnis, zunächst befristet bis zum 31.12.2010, ab; bewilligte dann aber anscheinend (zunächst) der Antragstellerin keine Leistungen. Mit Bescheid vom 31.08.2009 hob die Antragsgegnerin die Bewilligung des (Rest-)Pflegegeldes mit Wirkung vom 01.10.2009 auf und wies zugleich darauf hin, dass die Bewilligung der Eingliederungshilfe und der ergänzenden Hilfe zur Pflege bis zum 30.09.2009 befristet sei. Aufgrund der nunmehr anerkannten Zuständigkeit des Beigeladenen erfolge ab dem 01.10.2009 eine Leistungsbewilligung von dort. In der Folgezeit äußerte die Antragsgegnerin gegenüber dem Beigeladenen Zweifel, ob die Voraussetzungen zur Gewährung de...