Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Unterkunft und Heizung. Umzug ohne vorherige Zustimmung des Sozialhilfeträgers. Verpflichtung zur Übernahme nur der angemessenen Aufwendungen. Übergangsregelung aus Anlass der COVID-19-Pandemie. Fingierung der Angemessenheit für die Dauer von sechs Monaten. Anwendbarkeit bei Umzug während des laufenden Leistungsbezuges. angemessene Unterkunftskosten. schlüssiges Konzept
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelung des § 141 Abs 3 SGB XII, die im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie die Angemessenheitsgrenze für Kosten der Unterkunft vorübergehend außer Kraft gesetzt hat, ist auf Fälle, in denen ein Umzug während der Dauer des Bezugs von Sozialleistungen aus Gründen erfolgt, die von den Auswirkungen der Pandemie völlig unabhängig sind, nicht anwendbar.
2. Der Anwendungsbereich des § 141 Abs 3 SGB XII ist nach seinem Sinn und Zweck und dem in den Gesetzesbegründungen zum Erlass des Sozialschutzpakets sowie zu den später ergangenen entsprechenden Laufzeitverlängerungen klar zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers teleologisch zu reduzieren.
3. Die Verwaltungsanweisung Bedarfe für Unterkunft und Heizung sowie zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage der Beklagten vom 24.6.2021 beruht als reine Fortschreibung der Verwaltungsanweisung aus den Jahren 2017 und 2018 aus den gleichen Gründen auf keinem schlüssigen Konzept (vgl LSG Celle-Bremen vom 30.8.2022 - L 15 AS 106/20 = juris RdNr 21 ff).
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Übernahme höherer Kosten der Unterkunft.
Die am 24.04.1944 geborene Klägerin befindet sich seit dem 01.04.2009 im laufenden Bezug von ergänzenden Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Sie bewohnte bereits bei erstmaliger Beantragung von Leistungen der Grundsicherung eine Wohnung im 2. Obergeschoss der ... Str. .... Nachdem die Beklagte zu Beginn der Leistungsgewährung ein Kostensenkungsverfahren hinsichtlich der Kosten der Unterkunft durchgeführt und die anerkannten Mietkosten sodann zunächst auf die angemessenen Mietkosten gekürzt hatte, gewährte sie der Klägerin schließlich seit dem 01.03.2017 aufgrund einer Richtwerterhöhung die Mietkosten in voller Höhe. Die Beklagte zahlte die zuletzt mit Bescheid vom 04.06.2019 befristet bis zum 30.06.2019 bewilligten Leistungen der Grundsicherung ab dem Monat Juli 2019 bis zu Beginn des Jahres 2021 weiter aus, ohne das ein entsprechender Bescheid erlassen wurde.
Am 18.05.2020 teilte der Sohn der Klägerin, ... unter Vorlage einer Generalvollmacht der Klägerin vom 10.09.2012 mit, dass die Klägerin gesundheitsbedingt umziehen müsse. Sie könne keine Treppen mehr steigen und die im 2. Obergeschoss befindliche Wohnung daher nicht mehr erreichen. Ein Fahrstuhl sei in dem von der Klägerin bewohnten Gebäude nicht vorhanden.
Mit E-Mail vom 16.10.2020 fragte Herr H... an, welcher Betrag maximal für die 49,7 qm große Wohnung im ... weg ... übernommen werden könne, in die die Klägerin zum 01.02.2021 umziehen wolle. Für diese Wohnung sei wegen einer Förderung der BAFA für die eingebaute Erdwärmeheizung in den ersten sieben Jahren zwingend Ökostrom zu beziehen. Die Heizkosten seien in der Kaltmiete enthalten. Die Kosten für die Wohnung würden sich wie folgt zusammensetzen: Kaltmiete inkl. Heizung 630,- €, Betriebskostenvorauszahlung 120,- € sowie eine Vorauszahlung in Höhe von 60,- € für Wohnungsstrom. Den restlichen Betrag würden er und sein Bruder als Mietzuschuss zahlen.
Die Klägerin legte ein Attest des Facharztes für Innere Medizin ... vom 20.11.2020 vor, wonach sie aus gesundheitlichen Gründen behindertengerecht wohnen müsse.
Die Beklagte teilte der Klägerin mit der an Herrn ... gerichteten E-Mail vom 25.11.2020 mit, dass dem Umzug nicht zugestimmt werde. Erfolge der Umzug dennoch könnten nur die notwendigen Kosten übernommen werden. Die Mietkosten für die neue Wohnung seien deutlich zu hoch. Der Richtwert für einen 1-Personen-Haushalt in B... betrage aktuell inklusive des entsprechenden Stadtteilzuschlages 589,- €. Die Kosten der neuen Wohnung würden sich dagegen auf 810,- € für die Grundmiete und Nebenkosten belaufen, hinzu kämen noch Kosten für Wasser und Entwässerung.
Mit E-Mail vom 25.11.2020 fragte Herr ... an, welche Heiz- oder sonstigen Kosten zusätzlich zu den 589,- € übernommen werden könnten. Den Rest würden er und sein Bruder übernehmen. Hierauf teilte die Beklagte Herrn ... am 25.11.2020 mit, dass freiwillige Zuwendungen nach § 84 SGB XII auf die Leistungen der Grundsicherung anzurechnen seien, so dass der Klägerin dann immer noch zu wenig Geld zur Verfügung stehen würde. Die Klägerin wurde zugleich aufgefordert, andere Mietangebote vorzulegen.
Die Klägerin legte keine weiteren Mietangebote vor. Sie bezog zum 01.02.2021 die Wohnung im ... weg ... in ... und beantragte mit Schreiben vom 09.01.2021 die Übernahme der geänderten Un...