Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Leistungen in einer Werkstatt für behinderte Menschen. häusliche Krankenpflege. Abdeckung durch die Eingliederungshilfe. Zuständigkeit der Krankenkasse nur bei besonders hohem Pflegebedarf. fehlende Leistungserbringung durch die Einrichtung. Verantwortung des Sozialhilfeträgers

 

Orientierungssatz

1. Der Anspruch eines Empfängers von Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach dem SGB 12 auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege in einer Werkstatt für behinderte Menschen ist im Rahmen der Eingliederungshilfe begleitend abzudecken, wenn der Pflegebedarf kein besonders hohes Maß aufweist.

2. Die häusliche Krankenpflege ist dagegen auf Kosten der Krankenkasse zu erbringen, wenn der Pflegebedarf des behinderten Menschen so hoch ist, dass seine Pflege mit den Einrichtungen und dem Personal der Werkstatt für behinderte Menschen und deren begleitenden Diensten nicht ausreichend sichergestellt werden kann.

3. Innerhalb des pauschalierten Vergütungssystems erfolgt durch die Gesamtheit der auf den einzelnen Leistungsberechtigten bezogenen Pauschalen für jeden Einzelnen eine bedarfsgerechte Leistungserbringung. Damit entfalten die Vereinbarungen nach § 75 Abs 3 SGB 12 grundsätzlich eine sog Sperrwirkung gegenüber Einzelfallentscheidungen außerhalb der Vereinbarung.

4. Es liegt im Verantwortungsbereich des Sozialhilfeträgers, Sorge dafür zu tragen, dass die Ansprüche des Leistungsberechtigten ihm gegenüber durch den Einrichtungsträger als die Leistung erbringenden Dritten auch erfüllt werden.

 

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab 06.08.2013 für das Setzen der Insulininjektionen nebst vorheriger Bestimmung des Blutzuckers und Dosierens 4-mal täglich während des Aufenthalts im Verein .. e. V. ( Beigeladener zu 1.) Leistungen zu erbringen bzw. die Kosten für die selbst beschafften Pflegekräfte ab Eingang des Antrags bei Gericht am 06.08.2013 zu erstatten, bis der Beigeladene zu 1. als Leistungserbringer gegen über dem Antragsteller diese Leistungen erbringt. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Der Antragsgegner und der Beigeladene zu 1. haben jeweils die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu erstatten.

 

Gründe

Der zulässige Antrag ist im tenorierten Umfang begründet.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt, da die Voraussetzungen des § 86 b Abs. 1 SGG ersichtlich nicht gegeben sind und es auch nicht um die Sicherung eines bestehenden Rechtszustandes geht (Sicherungsanordnung, Abs. 2 Satz 1), nur eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Anordnungsanspruch und Eilbedürftigkeit der einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86 Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO). Dabei sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache bei besonders folgenschweren Beeinträchtigungen unter Umständen nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist dies nicht möglich, ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927).

Der Antragsteller hat nach summarischer Prüfung sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Der Antragsgegner ist aus § 14 SGB IX i. V. m. §§ 53 ff. SGB XII als überörtlicher Träger der Sozialhilfe für die Leistung während des Aufenthalts in der Einrichtung des Beigeladenen zu 1.) zuständig und verpflichtet, da es sich um eine Annexleistung zu Leistungen der Teilhabe handelt. Nach Ansicht des Gerichts sowie des Antragsgegners als auch der Beigeladenen zu 2. weist der Pflegebedarf kein besonders hohes Maß auf, so dass ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach überwiegender Rechtsprechung im Rahmen der Eingliederungsleistungen begleitend abzudecken ist. Das Setzen einer Insulininjektion ist weder mit hohem Aufwand verbunden noch bedarf es einer speziellen medizinischen Qualifikation. Die Blutzuckermessung und die Insulininjektionen sind einfache behandlungspflegerische Verrichtungen im Rahmen von Beratung, Unterstützung und lebenspraktischen Hilfen, deren Erbringung keine ärztlichen oder medizinisch-pflegerischen Kenntnisse erfordert. Daher werden sie auch als Maßnahmen der sogenannten Laienpflege bezeichnet. Die Laienpflege ist grundsätzlich vom Personal des Beigeladenen zu 1). durchzuführen. Die L...

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