Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft. GdB 50 bei Diabetes mellitus und Insulinpumpentherapie bei kleinen Kindern. besondere Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft. Abgrenzung zum Merkzeichen "H". Zweite Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14.7.2010
Leitsatz (amtlich)
Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft - GdB 50 bei Diabetes und Insulinpumpentherapie bei kleinen Kindern - Besondere Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft - Abgrenzung zum Merkzeichen "H" - Zweite Verordnung zur Änderung der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 14.04.2010
Orientierungssatz
Zur Feststellung eines GdB von 50 bei einem vierjährigen, an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 1 leidenden Kind mit überwiegend schlechter und labiler Stoffwechsellage, wegen der die Therapie mittels einer Insulinpumpe durchgeführt wird, unter Berücksichtigung des (hier: beträchtlichen) Therapieaufwandes.
Tenor
I. Der Bescheid des Beklagte vom 13.05.2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19.06.2009 wird insoweit aufgehoben als der Beklagte verurteilt wird beim Kläger ab 10.08.2007 einen Grad der Behinderung von 50 statt bisher 40 festzustellen.
II. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe des bei dem Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB).
Der am .... 2006 geborene Kläger leidet an einem insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ I, der mittels einer Insulinpumpe eingestellt wird. Dazu müssen regelmäßig Sensoren in den Körper eingebracht und mehrfach täglich Blutzucker blutig zur Kalibrierung des Gerätes gemessen werden. Die Insulinpumpe muss täglich ca. zehnmal, in Einzelfällen deutlich öfter aktiv bedient werden; nachts sind auch bei normalem Gesundheitszustand mehrfache Blutzuckermessungen/Insulininjektionen nötig.
Auf den Antrag des Klägers vom 10. August 2007 auf Feststellung seiner Behinderung und eines GdB stellte das Amt für Familie und Soziales Chemnitz nach versorgungsärztlicher Auswertung der ihm vorliegenden ärztlichen Unterlagen mit Bescheid vom 13.05.2008 fest, dass der GdB des Klägers 40 betrage und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens H vorlägen. Als Behinderung läge eine Zuckerkrankheit (mit Diät und Insulin einstellbar), Insulindosierpumpe bei Zuckerkrankheit, vor.
Im Widerspruchsverfahren zog es u.a. einen Bericht der Kinderärztin des Klägers vom 31.07.2008 bei. Darin wird sowohl das Auftreten von Hyper- als auch (häufiger) Hypoglykämien bestätigt. Sämtliche schweren Erkrankungen z.B. Enteritis durch Noroviren, Scharlach, seien nur durch das engagierte Mittun der Eltern zu Hause zu behandeln gewesen. Der Kläger sei ohne die qualifizierte Betreuung seine Eltern völlig hilflos. Für ihn müsse je nach Aktivität die Insulinmenge, die die Pumpe abgeben soll, eingespeichert werden. Jede auch noch so kleine Mahlzeit müsse genau berechnet werden und zuvor, wie auch bei irgendwelchen Anfälligkeiten, der Blutzucker im Finger gemessen werden. Der Kläger sei hierdurch in seinem kindlichen Entdeckungsdrang stark eingeschränkt und dürfe sich grundsätzlich immer nur in einem gewissen Umkreis zu seinen qualifizierten Betreuungspersonen spielen, damit sofort bei Blutzuckerschwankungen eingegriffen werden könne. Baden könne er nur wenige Minuten, weil während dieser Zeit die Pumpe und auch die Blutzuckermessnadel entfernt werden müsse.
Nachdem versorgungsärztlicherseits weiterhin ein GdB von 40 für die Zuckerkrankheit vorgeschlagen wurde, weil Hypoglykämien rechtzeitig bemerkt worden und der erhöhte Aufwand für Blutzuckermessungen und Beaufsichtigung mit festgestellter Hilflosigkeit berücksichtigt sei, wies der Kommunale Sozialverband Sachsen (KSV) mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.2009 den Widerspruch zurück. Zur Begründung wurde ohne jede Auseinandersetzung mit dem Widerspruchsvorbringen pauschal ausgeführt, dass die Prüfung ergeben habe, dass der Sachverhalt zutreffend eingeschätzt wurde und die getroffene Entscheidung rechtsfehlerfrei sei.
Am 10.07.2009 erhob der Kläger zum Sozialgericht Chemnitz die auf Zuerkennung eines GdB von 50 gerichtete Klage.
Zur weiteren Sachaufklärung zog das Gericht weitere medizinische Berichte u.a. der behandelnden Kinderärztin und des Klinikums Chemnitz bei. Hierzu wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm ein GdB von 50 zustehe.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Bescheid des Amtes für Familie und Soziales Chemnitz vom 13.05.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Kommunalen Sozialverbandes Sachsen vom 19.06.2009 insoweit aufzuheben, als der Beklagte verurteilt wird, bei ihm einen GdB in Höhe von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält die Bescheide für zutreffend. Insbesondere sei die Stoffwechsellage nicht instabil, weil die HbA1c-Werte nicht dauerhaft über 8 % lägen und der Therapieaufwan...