Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Überprüfungsantrag. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Kindergeld. nachträgliche Rückforderung. keine Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung. keine Vergleichbarkeit mit Darlehen. keine Beratungs- oder Auskunftspflicht. wiederholte Antragstellung. kein Absehen von der Antragstellung. keine Sozialleistung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hebt die Familienkasse die Bewilligung von Kindergeld auf und verlangt Erstattung, ändert dies nichts daran, dass das Kindergeld als Einkommen gem § 11 Abs 1 S 1 SGB 2 zu erfassen war, da es zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stand.

2. Die Gewährung von Kindergeld ist nicht wie die Gewährung eines Darlehens von vornherein mit einer Rückzahlungsverpflichtung belastet.

3. Aus den Vorschriften der §§ 14 und 15 SGB 1 ergibt sich keine Beratungs- und Auskunftspflicht hinsichtlich Kindergeld.

4. Die Vorschrift des § 28 SGB 10 führt zu keinem anderen Ergebnis.

 

Orientierungssatz

Az beim LSG: L 7 AS 867/11

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anrechnung von Kindergeld auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum von Juli 2007 bis September 2009.

Der Kläger bezog im streitgegenständlichen Zeitraum monatliches Kindergeld in Höhe von 154,00 € bzw. 164,00 €. In den jeweiligen Bewilligungen wurde Kindergeld in Höhe von 154,00 € bzw. ab Juni 2009 164,00 € abzüglich der Versicherungspauschale von 30,00 € als Einkommen berücksichtigt.

Gemäß der bestandskräftigen Einspruchsentscheidung der Familienkasse P. vom 14.10.2009 fordert diese für Juli bis Oktober 2007, April 2008 und Dezember 2008 bis August 2009 Kindergeld in Höhe von 2.352,00 € vom Kläger zurück.

Der Kläger stellte 17.10.2009 einen Antrag auf Überprüfung der hinsichtlich der bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum von Juli 2007 bis September 2009, da die Anrechnung des Kindergelds auf Leistungen nach dem SGB II zu Unrecht erfolgt sei. Die Familienkasse habe die Bewilligung von Kindergeld für diesen Zeitraum aufgehoben und fordere das Kindergeld zurück.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 05.01.2010 ab.

Am 12.01.2010 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.03.2010 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.

Am 29.03.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht Chemnitz Klage gegen den Widerspruchbescheid erhoben.

Er ist der Auffassung, dass das Kindergeld zu Unrecht als Einkommen gemäß § 11 SGB II angerechnet worden sei. Einkünfte, die von vornherein mit einer Rückzahlungsverpflichtung verbunden seien, z.B. ein Darlehen, stellten kein Einkommen dar. Der Großvater des Klägers habe den Beklagten mehrfach darauf hingewiesen, dass die Ausbildung des Klägers bereits zum 30.06.2007 abgebrochen worden sei. Bei dem Kläger hätte deshalb ein konkreter Beratungsbedarf hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Kindergeldbezugs bestanden, dem der Beklagte hätte nachkommen müssen.

Der Kläger beantragt,

1. den Bescheid vom 05.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 19.03.2010 aufzuheben und

2. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für den Zeitraum von Juli 2007 bis August 2009 ohne Anrechnung von Kindergeld als Einkommen zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verteidigt die angegriffene Entscheidung. Er weist darüber hinaus daraufhin, dass die Mitteilung über den Abbruch der Ausbildung gegenüber der Familienkasse hätte erfolgen müssen. Die Anzeige gegenüber dem Beklagten sei nicht maßgebend.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die in der Gerichtsakte enthaltenen Schriftsätze der Beteiligten waren Gegenstand des Verfahrens. Hierauf und auf den übrigen Akteninhalt wird zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erteilten, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

II.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Der angefochtene Bescheid vom 05.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.03.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs. 1 und 2 SGG.

Der Kläger hat es zu Recht abgelehnt, die Leistungsbewilligung insoweit gemäß § 44 SGB X zurückzunehmen, als Kindergeld in den Leistungsbewilligungen nach dem SGB II für Juli 2007 bis September 2009 als Einkommen angerechnet wurde.

Nach § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass desselben das Recht unrichtig angewandt od...

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