Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Krankengeld bei Organspende. Absetzung des Erwerbstätigenfreibetrages
Leitsatz (amtlich)
1. Im Unterschied zu dem "normalen" Krankengeld des § 44 SGB V beträgt das besondere Krankengeld nach § 44a SGB V (Krankengeld bei Spende von Organen oder Geweben) 100 % des ausgefallenen Arbeitsentgelts. Die altruistische Haltung der Spender soll berücksichtigt und die Spender sollen nicht schlechter gestellt sein als ohne die Spende.
2. Das besondere Krankengeld gemäß § 44a SGB V ist daher einer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gleichzustellen mit der Folge, dass dieses Krankengeld um den Freibetrag des § 11b Abs 3 SGB II zu bereinigen ist.
Orientierungssatz
Az beim LSG Chemnitz: L 8 AS 1175/18
Tenor
I. Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 15.01.2015, beide in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2015, verurteilt, das Krankengeld der Klägerin um den Freibetrag des § 11 b Abs. 3 SGB II zu bereinigen.
II. Der Widerspruchsbescheid vom 06.07.2015 wird aufgehoben.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Der Beklagte hat der Klägerin 2/3 der ihr notwendig entstandenen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Das Urteil betrifft die Verfahren S 10 AS 1124/15 und S 10 AS 2955/15, die mit Beschluss vom 17.01.2018 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und unter dem Aktenzeichen S 10 AS 1124/15 fortgeführt wurden.
Verfahren S 10 AS 1124/15 :
Hier streiten die Beteiligten darum, ob das besondere Krankengeld aus § 44 a SGB V einem Erwerbseinkommen gleichzustellen und entsprechend zu bereinigen ist.
Die Klägerin hat nach einer Organspende Krankengeld gemäß § 44 a SGB V erhalten.
Mit streitigem Änderungsbescheid vom 15.01.2015 bewilligte der Beklagte Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.02.2014 bis 31.07.2014 unter Einrechnung dieses Einkommens und forderte mit Erstattungsbescheid vom 15.01.2015 aufgrund dieser neuen Einrechnung von der Klägerin für den Zeitraum 01.02.2014 bis 31.07.2014 einen Betrag von insgesamt 726,07 € zurück.
Der Widerspruchsbescheid vom 24.02.2015 weist den Widerspruch vom 20.01.2015 gegen jene beiden Bescheide als unbegründet zurück. Die Leistung für den Zeitraum Februar 2014 bis Juli 2014 sei zunächst vorläufig bewilligt worden. Mit der abschließenden Entscheidung sei ein geringerer Leistungsanspruch festgestellt worden. 726,07 € seien von der Klägerin zu erstatten.
In der Klageschrift vom 23.03.2015 verweist die Prozessbevollmächtigte der Klägerin darauf, das Krankengeld gemäß § 44 a SGB V sei einer Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gleichzustellen.
Demgegenüber verweist der Beklagte im Schriftsatz vom 27.04.2015 darauf, dass der Erwerbstätigenfreibetrag auf das Einkommen aus Erwerbstätigkeit beschränkt sei. Deshalb sei das Einkommen aus Krankengeld nicht um den zusätzlichen Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11 b Abs. 3 SGB II (§ 30 SGB II alte Fassung) zu bereinigen.
Mit Schriftsatz vom 18.05.2015 verweist die Bevollmächtigte der Klägerin darauf, dass das besondere Krankengeld gemäß § 44 a SGB V in Höhe von 100 % des letzten Nettolohnes weitergezahlt wird.
Mit Schriftsatz vom 08.06.2015 verweist der Beklagte darauf, dass die streitige Forderung mit Bescheid vom 18.05.2015 erlassen wurde.
Verfahren S 10 AS 2955/15 :
In diesem Verfahren ist streitig der Erlassbescheid vom 18.05.2015, mit dem die Forderung von 726,07 € aus dem Bescheid vom 15.01.2015 erlassen wurde. Die Einziehung jener Forderung wäre unbillig.
Im Widerspruch vom 27.05.2015 verweist die Bevollmächtigte der Klägerin darauf, dass der Betrag von 726,07 € Ergebnis einer Verrechnung sei. Die geltend gemachte Rückforderung sei höher als diejenige in dem Erlassbescheid, so dass die Klägerin weiterhin beschwert sei.
Der Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2015 den Widerspruch als unzulässig verworfen. Für die Zeit vom 01.02.2014 bis 30.06.2014 sei ein um 949,37 € geringerer Leistungsanspruch festgestellt worden, für Monat Juli 2014 bestehe hingegen ein Anspruch auf Nachzahlung in Höhe von 223,30 €. Der daraus resultierende Betrag von 726,07 € sei mit Erstattungsbescheid vom 15.01.2015 festgesetzt und mit Bescheid vom 18.05.2015 erlassen worden. Der Bescheid vom 18.05.2015 wirke daher rein begünstigend. Eine Beschwer der Klägerin liege darin nicht.
Demgegenüber verweist die Bevollmächtigte der Klägerin in der Klageschrift vom 30.07.2015 darauf, dass auch der Teilbetrag von 223,30 €, der mit der Nachforderung verrechnet wurde, ebenfalls hätte erlassen werden müssen.
Mit Schriftsatz vom 07.10.2015 verwies der Beklagte darauf, dass die Klägerin im Juli 2014 nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit wieder Erwerbseinkommen erzielt habe. Dieses Einkommen sei niedriger gewesen als das bei der vorläufigen Bewilligung berücksichtigte Einkommen. Daraus habe sich der im Verhältnis zur vorläufigen Bewilligung höhere Leistungsanspruch der Klägerin für den Monat Juli 2014 ergeben.
In der mündlichen Verhandlung zu ...