Entscheidungsstichwort (Thema)

Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung. keine ausreichend konkrete Rechtsfolgenbelehrungen. rechtsfehlerhafte Rechtsfolgenbelehrung. fehlender Hinweis auf Erlöschen des Arbeitslosengeldanspruchs. Summierung der Sperrzeiten. Vermittlungsvorschlag. fehlende Angaben über die Höhe der Vergütung

 

Orientierungssatz

1. Werden die verschiedenen nach dem Gesetz möglichen Sperrzeitfolgen bei Arbeitsablehnung allgemein mitgeteilt, aber nicht die Sperrzeitdauer von 3 Wochen als unmittelbar und konkret drohende Rechtsfolge benannt, so ist die Rechtfolgenbelehrung gem § 159 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 3 nicht auf die individuelle leistungsrechtliche Situation abgestimmt und somit nicht ordnungsgemäß erfolgt (vgl BSG vom 27.6.2019 - B 11 AL 14/18 R - BSGE 128, 255-262 = SozR 4-4300 § 159 Nr 7).

2. Für die Vollständigkeit einer jeden Rechtsfolgenbelehrung bedarf es des Hinweises auf die Möglichkeit des Erlöschens des Arbeitslosengeldanspruches bei weiteren Sperrzeiten gem § 161 Abs 1 Nr 2 SGB 3.

3. Ein Vermittlungsvorschlag entspricht nicht den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung, wenn die konkrete Höhe der Vergütung im Arbeitsangebot nicht angegeben und somit die Zumutbarkeit der Beschäftigung nach § 140 Abs 3 SGB 3 für den Arbeitslosen nicht nachprüfbar ist. Die Voraussetzungen für eine Sperrzeit gem § 159 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 3 liegen daher nicht vor (vgl SG Chemnitz vom 15.11.2007 - S 6 AL 253/06).

 

Tenor

1. Der Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 18.09.2019 (3-wöchige Sperrzeit vom 24.02.2019 bis 16.03.2019) sowie der Arbeitslosengeld-Änderungsbescheid vom 18.09.2019, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2019 (W 2206/19), werden aufgehoben.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine 3-wöchige Sperrzeit wegen „Sperrzeit bei Arbeitsablehnung“.

Der Kläger bezog von der Beklagten jedenfalls in den Monaten Februar und März 2019 Arbeitslosengeld (fortan: Alg); siehe Alg-Änderungsbescheid vom 11.02.2019. Mit Vermittlungsvorschlag (fortan: VV) der Beklagten vom 19.02.2019 bot sie dem Kläger eine Beschäftigung als Sozialarbeiter ab dem 01.04.2019 an.

Dieser VV enthielt in der Zeile „Lohn/Gehalt“ den Hinweis „am TVöD/SuE orientierte Vergütung + Sozialleistungen“. Der VV enthielt ferner eine Rechtsfolgenbelehrung u.a. mit folgendem Inhalt: „Rechtsfolgenbelehrung: Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen angebotene Beschäftigung nicht annehmen oder nicht antreten oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch ihr Verhalten verhindern (z.B. indem Sie sich nicht vorstellen), tritt eine Sperrzeit ein (Sperrzeit bei Arbeitsablehnung, § 159 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III). Sie dauert längstens 12 Wochen. Die Sperrzeit dauert drei Wochen bei erstmaligem versicherungswidrigen Verhalten (§ 159 Abs. 4 Nr. 1 SGB III), sechs Wochen bei dem zweiten Versicherungswidrigen Verhalten (§ 159 Abs. 4 Nr. 2 SGB III). Ein versicherungswidriges Verhalten in diesem Sinne liegt vor, wenn Sie …“. Die Rechtsfolgenbelehrung im VV enthält keinen Hinweis auf § 161 Abs. 1 Nr. 2 SGB III.

Der Kläger bewarb sich zwar beim potentiellen Arbeitgeber, indem er an ihn eine Kopie seines Diplomzeugnisses und seines Lebenslaufs ohne ein Bewerbungsanschreiben übersandte. Aufgrund dieser Bewerbung berücksichtigte der Arbeitgeber den Kläger nicht weiter. Wegen des Nichtzustandekommens der im VV angebotenen Beschäftigung verfügte die Beklagte nach Anhörung des Klägers mit Bescheid vom 18.09.2019 eine 3-wöchige Sperrzeit vom 24.02.2019 bis 16.03.2019, stellte für diesen Zeitraum das Ruhen des Alg-Anspruchs fest, hob für diesen Zeitraum die Alg-Bewilligung auf, minderte den Alg-Anspruch des Klägers um 21 Tage und forderte 653,56 € erstattet. Den hiergegen am 11.10.2019 erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2019 (W 2206/19) als unbegründet zurück.

Der Kläger verfolgt sein Aufhebungsbegehren weiter und hat am 17.12.2019 vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten (fortan: Bevollmächtigter) Klage erhoben. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Klageschriftsatz vom 13.12.2019 verwiesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

Sperrzeitbescheid der Beklagten vom 18.09.2019 (3-wöchige Sperrzeit vom 24.02.2019 bis 16.03.2019) sowie den Arbeitslosengeld-Änderungsbescheid vom 18.09.2019, beide in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2019 (W 2206/19), aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung vertieft sie ihre Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

Das Gericht hat den Beteiligten mit Schreiben vom 19.03.2020 einen ausführlichen Hinweis zur fehlerhaften Rechtsfolgenbelehrung im VV vom 19.02.2019 erteilt und zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Ferner hat das Gericht die Verwaltungsakte der Beklagten betreffend den Kläger beigezogen.

 

Entscheidungsgründe

Das Gericht entscheidet gem. § 105 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichts...

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