Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Aufwandsentschädigungen für Betreuer. zweckbestimmte Einnahme
Leitsatz (amtlich)
1. Aufwandsentschädigungen für Betreuer (§ 1835a BGB) sind zweckbestimmte Einnahmen, die von der Berücksichtigung als Einkommen ausgenommen sind.
2. Der typische Anwendungsbereich des § 328 Abs. 1 SGB III ist nicht eröffnet, wenn dem Leistungsberechtigten voraussichtlich eine jährlich einmalige Einnahme zufließen wird, falls er diese beantragt.
Tenor
1. Die Bescheide vom 31. Januar 2012 in der Gestalt des jeweiligen Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2012 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Aufhebung von Arbeitslosengeld II für November 2011 und die Erstattung von 296,00 €. Strittig ist die Anrechnung einer Aufwandsentschädigung, die die Klägerin als Betreuerin des 1988 geborenen, schwerbehinderten B hält.
Der Beklagte gewährte mit Bescheid vom 10. Februar 2011 in der Fassung der Bescheide vom 24. Februar 2011, 30. März 2011 und 21. Juni 2011 für die Zeit vom 1. bis zum 30. November 2011 der 1956 geborenen Klägerin 307,32 € und dem 1963 geborenen Kläger 285,70 € Arbeitslosengeld II. Aus den mit dem Weitergewährungsantrag vorgelegten Kontoauszügen ergab sich, dass die Klägerin jährlich eine Betreuungsaufwandsentschädigung von 323,00 € erhält.
Aus einem am 19. Januar 2012 der Beklagten vorgelegten Kontoauszug war ersichtlich, dass die Klägerin auf ihren Antrag vom 1. August 2011 am 4. Oktober 2011 pauschal 323,00 € Aufwandsentschädigung erhalten hatte.
Nach Anhörung vom 20. Januar 2012 hob der Beklagte mit zwei Bescheiden vom 31. Januar 2012 das für November 2011 gewährte Arbeitslosengeld II teilweise auf und gewährte der Klägerin 230,62 € und dem Kläger 214,40 €. Gleichzeitig forderte er von beiden jeweils 148,00 € erstattet. Die dagegen erhobenen Widersprüche wies er mit zwei Widerspruchsbescheiden vom 11. Mai 2012 als unbegründet zurück.
Die Kläger haben am 13. Juni 2012 und 14. Juni 2012 zu dem Sozialgericht Cottbus jeweils Klage erhoben. Sie meinen, die steuerfreie Aufwandsentschädigung sei eine zweckbestimmte Einnahme und nicht auf das Arbeitslosengeld II anzurechnen. Auch sei die Zahlung bereits bei Leistungsbewilligung bekannt gewesen. Zudem hätten andere das Geld auch nicht zurückzahlen müssen.
Das Gericht hat beide Klagen mit Beschluss vom 6. November 2013 verbunden.
Die Kläger beantragen,
die Bescheide vom 31. Januar 2012 jeweils in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 11. Mai 2012 aufzuheben sowie die Berufung zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen sowie die Berufung zuzulassen.
Er meint, die Aufwandsentschädigung sei nur insoweit nicht als Einnahme anzurechnen, wie sie dem Ersatz von Auslagen dienen soll. Dem habe man mit den Absetzbeträgen nach § 11b SGB II hinreichend Rechnung getragen. Diese Aufwandsentschädigung sei so wie Entschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten in kommunalen Gremien zu behandeln.
Im Übrigen wird auf die Gerichts- von Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig. Sie verletzen die Kläger in ihren Rechten.
Sie lassen sich nicht auf § 40 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II), § 330 Abs. 2 und 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - Arbeitsförderung (SGB III), § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) stützen.
Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ab Änderung der Verhältnisse unter anderem aufzuheben, wenn in den tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3), oder der Betroffene wusste, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch ganz oder teilweise weggefallen ist (aus Nr. 4). Gemäß § 45 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist - auch nachdem er unanfechtbar geworden ist - nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden. § 48 SGB X findet Anwendung, wenn der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig war und erst durch eine nachträgliche Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen rechtswidrig geworden ist. Beide Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, ab (BSG, Urteil vom 28. März 2013 - B 4 AS 59/12 R...