Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlen eines Anspruchs auf Sozialhilfe. Mietrückstand. Anwendbarkeit von § 34 Abs 1 SGB 12
Leitsatz (amtlich)
§ 34 Abs 1 S 2 SGB 12 ist nach seinem Sinn und Zweck auch auf Personen anwendbar, die nicht dauerhaft im Leistungsbezug nach dem dritten Kapitel des SGB 12 stehen. § 19 Abs 1 SGB 12 steht der Leistungsgewährung nicht entgegen.
Orientierungssatz
1. Gerechtfertigt ist eine Übernahme von Mietrückständen nur, wenn sie geeignet ist, die Unterkunft dauerhaft zu sichern. Daran fehlt es, wenn die Umstände, die für die aufgelaufenen Mietrückstände verantwortlich gewesen sind, trotz Übernahme der Mietschulden nicht zu beseitigen sind. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn das Verhalten des Schuldners die Prognose erlaubt, dass auch in Zukunft rechtzeitige Mietzahlungen weder mit der erforderlichen Regelmäßigkeit zu erwarten sind noch anderweitig sichergestellt werden können und damit nahe liegende Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass auch in Zukunft trotz Übernahme der Mietschulden die Unterkunft nicht zu sichern ist, weil erneut Rückstände in einer Höhe zu erwarten sind, die dem Vermieter einen Räumungstitel verschaffen können.
2. Die Überschreitung der Angemessenheit der Unterkunftskosten rechtfertigt dann nicht die Versagung eines Darlehens, wenn die Differenz zu den vom Leistungsträger für angemessen gehaltenen Unterkunftskosten gering ist.
3. Mit der Formulierung in § 34 Abs 1 S 2 SGB 12 schafft der Gesetzgeber ein Regel-Ausnahme-Verhältnis, das besagt, dass im Regelfall eine Schuldenübernahme beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen erfolgen muss. Nur beim Vorliegen eines atypischen Sonderfalls kann die Behörde von der Übernahme der Schulden absehen. Dies liegt dann in ihrem Ermessen. Ebenfalls im Ermessen liegt es nach § 34 Abs 1 S 3 SGB 12, ob sie die Leistungen als Darlehen oder als Beihilfe erbringt.
Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern ein Darlehen zur Tilgung ihrer Mietschulden für die Wohnung A-Straße in A-Stadt in Höhe von 6.700,00 Euro zu bewilligen. Es bleibt dem Antragsgegner freigestellt, dieses Darlehen direkt an den Vermieter der Antragsteller auszuzahlen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Die Antragsteller begehren mit ihrem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) durch Übernahme von noch offenen Mietschulden.
Die Antragsteller bezogen im Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner, bestehend aus den Regelleistungen und den Kosten der Unterkunft. Diese Leistungen wurden letzten Endes mit Wirkung zum 31.03.2006 eingestellt, weil der Antragsteller zu 1. ab diesem Datum Arbeitslosengeld I erhält, so dass aufgrund dieser Mittel und des Erwerbseinkommens der Antragstellerin zu 2. Bedürftigkeit nicht mehr besteht.
Die Antragsteller beantragten am 23.02.2006 die Übernahme der offenen Mietrückstände, die aufgrund von nicht gezahlten Mietforderungen in der Vergangenheit entstanden waren. Die Antragsteller fügten diesem Antrag das Räumungsurteil des Amtsgerichts B-Stadt vom 19.10.2005 bei, mit dem sie zur Räumung der Wohnung verpflichtet wurden.
Am 13.03.2006 haben die Antragsteller den hier zu entscheidenden Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gestellt.
Die Antragsteller tragen im heutigen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage über den bisherigen Vortrag hinaus vor, dass die Räumung der Wohnung durch den Vermieter aufgrund des oben genannten Räumungsurteils für morgen, Freitag den 21.04.2006, vorgesehen ist.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
den Antragsgegner zu verpflichten, die Mietschulden der Antragsteller gegenüber deren Vermieter darlehensweise zu übernehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Der Antragsgegner ist der Meinung, er sei zur Übernahme der Mietschulden der Antragsteller nicht verpflichtet, weil die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Norm des § 34 SGB XII nicht erfüllt seien. Da die Wohnung der Antragsteller unangemessen teuer sei, wie diesen bereits mit Bescheid vom 18.08.2005 mitgeteilt wurde, kommt auch die Übernahme von Mietschulden für diese überteuerte Wohnung nicht in Betracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vorliegende Akte des Antragsgegners (1 Heft) sowie die Niederschrift über den Erörterungstermin am 20.04.2006 verwiesen, die zur Entscheidung herangezogen wurden.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist zulässig, insbesondere nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft.
Der Antrag ist auch begründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Ve...