Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Bildung und Teilhabe. ergänzende Lernförderung. Notwendigkeit. Erreichen wesentlicher Lernziele. Festlegung durch Schulrecht. Hessen. Erlernen moderner Fremdsprachen. besondere Bedeutung des Englischen
Leitsatz (amtlich)
Die Gefährdung der Versetzung ist nicht das einzige, wenn auch ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung der Frage, ob ein Bedarf für Bildung und Teilhabe in Form ergänzender Lernförderung vorliegt.
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 26.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2012 verurteilt, dem Kläger Leistungen für ergänzende Lernförderung im gesetzlichen Umfang zu gewähren.
2. Der Beklagte hat dem Kläger die zur Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um ergänzende Lernförderung im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende.
Der am 2000 geborene Kläger erhielt (und erhält) in Bedarfsgemeinschaft mit seinen gemeinsam sorgeberechtigten Eltern (und seinem Bruder) laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende -.
Im Frühjahr 2012 beantragte er, vertreten durch seine Eltern, Leistungen für Bildung und Teilhabe in Form der ergänzenden Lernförderung für das Fach Englisch. Er besuchte zu diesem Zeitpunkt die 5. Klasse der in A-Stadt. Die Fachlehrerin, die Zeugin A., bescheinigte dazu unter dem 11.01.2012, bei dem Kläger bestehe Lernförderbedarf in einem Umfang von ein bis zwei Stunden wöchentlich. Die Leistungen des Klägers seien “noch im schwach befriedigenden Bereich„ [Hervorhebung durch die Zeugin]. Auf Bl. 22 der Verwaltungsakte (im Folgenden: VA) wird ergänzend Bezug genommen.
Der Kläger erhielt anschließend in der Zeit von März bis September 2012 Englischunterricht durch die A. M. & J. P. Schülerhilfe GbR, A-Stadt; wegen der Einzelheiten des Vertragsverhältnisses wird auf den auf den 08.03.2012 datierten Vertrag (Gerichtsakte - im Folgenden: GA - Bl. 13), wegen der - zum Teil noch offenen - Forderungen auf die entsprechende Aufstellung der Schülerhilfe vom 07.12.2013 (GA Bl. 38) Bezug genommen.
Mit dem streitigen Bescheid vom 26.03.2012 (VA Bl. 25) lehnte der Beklagte den Antrag ab, da das Erreichen der wesentlichen Lernziele nicht gefährdet sei.
Der Widerspruch des Klägers vom 01.04.2012 (VA Bl. 38) blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 08.05.2012 [VA Bl. 45]).
Der Kläger hat daraufhin mit einem von seiner Mutter gezeichneten Schreiben vom 22.05.2012, eingegangen bei Gericht am 23.05.2012, Klage erhoben (Gerichtsakte - im Folgenden: GA - Bl. 1); nach Hinweis und Anfrage des Gerichts zur Klagebefugnis und zu den Sorgerechtsverhältnissen hat der Vater des Klägers die Mutter zur alleinigen Prozessführung bevollmächtigt (GA Bl. 12); außerdem haben beide Eltern mit einem gemeinsamen Schreiben vom 06.08.2012 (GA Bl. 11) die Hoffnung ausgesprochen, ihrem Sohn möge die streitige Leistung zugesprochen werden; zur mündlichen Verhandlung am 16.12.2013 schließlich sind beide Eltern erschienen.
Zur Begründung macht der Kläger insbesondere geltend, er sei auf entsprechende Leistungen angewiesen gewesen, auch wenn damals die Versetzung (noch) nicht gefährdet gewesen sei.
Er beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 26.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2012 zu verurteilen, Lernförderung im gesetzlichen Umfang für die im Jahr 2012 in Anspruch genommene Nachhilfe zu erbringen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt seinen Bescheid und hält daran fest, Lernziel sei nur die Versetzung insgesamt.
Die Kammer hat die Fachlehrerin des Klägers, Frau A., schriftlich als Zeugin befragt. Diese hat mit Schreiben vom 01.11.2012 erklärt, mit “noch schwach befriedigender Bereich„ habe sie einen der Note 3- entsprechenden Leistungsstand beschrieben. Ein Absinken der Note auf 4 ohne Nachhilfe sei zu erwarten gewesen; ein Absinken auf 5 zum damaligen Zeitpunkt nicht. Eine Versetzungsgefährdung sei nicht auszumachen gewesen. Defizite seien eindeutig sowohl in den mündlichen als auch in den schriftlichen Leistungen des Klägers feststellbar gewesen, was durch die zweite Klassenarbeit (Note 5) bestätigt worden sei. Aus ihrer Sicht sei es zum damalige Zeitpunkt notwendig gewesen, frühzeitig dieser "Negativtendenz" entgegenzuwirken, und sinnvoll, dem Kläger rechtzeitig Fördermaßnahmen zukommen zu lassen. Nach ihrer damaligen Einschätzung wären zur Stabilisierung auf Note 3 zwei Stunden Nachhilfe pro Woche notwendig gewesen, was jedoch durch die fehlende Förderung nicht zu erreichen gewesen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf GA Bl. 33 verwiesen.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 16.12.2013 hat die Kammer die Eltern des Klägers ausführlich gehört; hierzu wird auf die Sitzungsniederschrift (GA Bl. 41) verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts...