Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Regelung zur Aufwandspauschale nach § 275 Abs 1c SGB 5. Geltung auch bei stationären Krankenhausbehandlungen wegen oder im Zusammenhang mit Schwangerschaft bzw Mutterschaft
Orientierungssatz
1. Mit der Einführung des § 275 Abs 1c S 3 SGB 5 ist nicht zwingend verbunden worden, dass die Regelung zur Aufwandspauschale für stationäre Krankenhausbehandlungen wegen oder im Zusammenhang mit Schwangerschaft bzw Mutterschaft entfällt.
2. Auch eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Entbindung stellt eine Krankenhausbehandlung dar, die im Rahmen des § 39 SGB 5 zu sehen ist.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 100,00 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.04.2011 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Der Streitwert wird auf 100,00 € festgesetzt. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erhebung einer Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 € nebst Zinsen im Zusammenhang der im Auftrag der Beklagten erfolgten Prüfung der Krankenhausrechnung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK).
Die bei der Beklagten versicherte F. C. wurde 2008 zur Entbindung nach mehr als 33-wöchiger Schwangerschaft in die Klinik der Klägerin aufgenommen, wo die Versicherte mittels Kaiserschnitt entbunden hatte. Letztlich wurde die Versicherte bis zum 25.02.2008 stationär behandelt. Die Krankenhausrechnung (vom 12.03.2008 i.H.v. 5.857,28 €) bezahlte die Beklagte umgehend vollständig, ordnete jedoch später ein Prüfung des MDK an, der jedoch ausdrücklich die Richtigkeit der Rechnungslegung bestätigt hatte.
Daraufhin stellte die Klägerin der Beklagten am 26.05.2009 eine weitere Rechnung über 100,00 € als sogenannte Aufwandspauschale aus, die die Beklagte zunächst ebenfalls umgehend zahlte. Allerdings nahm die Beklagte am 15.04.2011 eine Verrechnung dieser 100,00 € mit einer anderen - unstreitigen - Rechnung vor, da sie - gestützt auf eine Entscheidung des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (L 5 KR 184/09) - die Erhebung einer Aufwandspauschale in Fällen der stationären Aufnahme wegen Geburt eines Kindes für rechtswidrig hält.
Dementsprechend hat die Klägerin am 06. Dezember 2011 Klage auf Zahlung dieser Aufwandspauschale erhoben und dazu im Wesentlichen geltend gemacht, dass es sich nicht um eine Entbindung im Sinne des § 197 Reichsversicherungsordnung (RVO) gehandelt hätte, sondern um eine "normale" Krankenhausbehandlung, so dass hier - unabhängig davon, ob eine Aufwandspauschale nicht auch in den Fällen von stationären Schwangerschaftsbehandlungen zum Zuge kommt - ein Anspruch auf die Aufwandspauschale bestehe, weil die von der Beklagten eingeleitete Prüfung des MDK zu keiner Minderung des Rechnungsbetrages geführt habe. Im Übrigen müsse auch die stationäre Entbindung als Leistung der Krankenkasse bei Schwangerschaft den Regelungen einer "normalen" stationären Krankenhausbehandlung unterworfen werden. Die Aufnahme in der Reichsversicherungsordnung habe lediglich historische Gründe, weil früher damit dokumentiert werden sollte, dass es sich bei der Schwangerschaft nicht um eine Krankheit im engeren Sinne handele. Auch die Regelung, wonach Schwangere und Neugeborene für die Zeit der Aufnahme zur Entbindung keinen Anspruch auf Krankenhausbehandlung haben, solle nur verhindern, dass einer Schwangeren nicht zwei inhaltsgleiche Ansprüche gegenüber ihrer Krankenkasse zustehen; er regele jedoch nicht, dass die Aufnahme zur Entbindung keine stationäre Krankenhausbehandlung im Sinne des Fünften Buches Sozialgesetzbuch darstelle. Entsprechend sei der MDK - wie hier auch tatsächlich erfolgt - auch befugt, den stationären Krankenhausaufenthalt anlässlich einer Entbindung daraufhin zu überprüfen, ob er insbesondere zeitlich gerechtfertigt ist und seitens des Krankenhauses ordnungsgemäß abgerechnet wurde. Dies bedeute auch, dass die hier strittige Regelung des § 275 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - (SGB V) unter Berücksichtigung des vom Bundessozialgericht postulierten Gebots der Waffengleichheit zwischen den Parteien nicht nur zur Einhaltung der 6-Wochen-Frist, sondern auch - bei erfolgloser MDK-Prüfung - eine Pflicht zur Zahlung der Aufwandpauschale bestehe. Ansonsten wären Krankenhäuser einseitig benachteiligt. Dass es sich bei dem Aufenthalt um keine normale Entbindung gehandelt habe, zeige bereits die für eine Entbindung überlange Aufenthaltsdauer von insgesamt 22 Tagen. Damit gehe auch der Hinweis der Beklagten auf das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz an der Sache vorbei. Im Übrigen könne der Entscheidung auch dahingehend nicht gefolgt werden, weil der Wortlaut des § 275 Abs. 1 c SGB V nicht zwangsläufig eine Ausschlusswirkung bezüglich der Aufwandspauschale für Entbindungsfälle beinhaltet, so dass...