Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende: Angemessenheit der Unterkunftskosten. Schlüssigkeit eines Konzeptes zur Mietwertermittlung. Grenzen der Ermittlungspflicht des Sozialgerichtes. Anwendung der Wohngelttabelle mit Sicherheitszuschlag
Orientierungssatz
1. Hat ein Grundsicherungsträger im einstweiligen Anordnungsverfahren um die Übernahme von Kosten der Unterkunft für einen Grundsicherungsempfänger seine Mietwertermittlung nicht rechnerisch nachvollziehbar dargelegt und die ihr zugrundeliegenden Daten dem Sozialgericht nicht in verwertbarer Form zur Verfügung gestellt, so ist von der Unschlüssigkeit des Konzeptes zur Mietwertermittlung auszugehen. In diesem Fall ist es auch nicht die Aufgabe des Sozialgerichts, ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu entwickeln (Anschluss BSG, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R).
2. Fehlen neben einem schlüssigen Konzept des Grundsicherungsträgers auch sonstige Erkenntnismöglichkeiten zu den angemessenen Kosten der Unterkunft (z.B. Mietspiegel), ist auf die maßvoll erhöhten Tabellenwerte zu § 12 WoGG zurückzugreifen, vgl. neben BSG, Urteil vom 22. September 2009 - B 4 AS 18/09 auch BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 4 AS 50/09 R.
3. Einzelfall zur Ermittlung des Sicherheitszuschlags bei der Festlegung der angemessenen Unterkunftskosten unter Anwendung der Wohngelttabelle.
Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für den Zeitraum 21. Dezember 2011 bis 29. Februar 2012 weitere Unterkunftskosten in Höhe von monatlich EUR 76,50 zu gewähren.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu tragen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nunmehr noch über die Höhe der zu berücksichtigenden Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen der Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).
Der am ... 1976 geborene Antragsteller bezieht laufend Leistungen nach dem SGB II vom Antragsgegner. Für seine Wohnung in W. hat er eine monatliche Gesamtmiete von EUR 400,00 zu zahlen. Hiervon entfallen EUR 300,00 auf die Grundmiete, EUR 50,00 auf die Vorauszahlungen für kalte Betriebskosten und EUR 50,00 auf die Heizkostenvorauszahlungen (Blatt 598 der Verwaltungsakte). Mit Bescheid vom 28. April 2011 wies der Antragsgegner den Antragsteller darauf hin, dass die Unterkunftskosten unangemessen und damit nur für einen begrenzten Zeitraum zu übernehmen seien. Angemessen seien für Grundmiete und kalte Betriebskosten monatlich insgesamt EUR 273,50 (Blatt 68 ff. der Gerichtsakte). In der Wohnung lebt der Antragsteller allein. Sein minderjähriger Sohn besucht ihn jedoch mehrmals pro Woche und übernachtet auch regelmäßig bei ihm.
Auf den Weiterbewilligungsantrag vom 21. Juli 2011 (Blatt 664 der Verwaltungsakte) gewährte der Antragsgegner dem Antragsteller Leistungen für September und Oktober 2011 in Höhe von monatlich EUR 772,00, für den Zeitraum November 2011 bis Februar 2012 in Höhe von monatlich EUR 695,50 (Blatt 47 der Gerichtsakte). Im zweiten Teilzeitraum berücksichtigte der Antragsgegner nur noch Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von EUR 323,50; hiervon entfielen EUR 50,00 auf Heizkosten. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 12. September 2011 Widerspruch ein (Blatt 53 der Gerichtsakte). In der Folgezeit änderte der Antragsgegner die Leistungshöhe für den streitigen Zeitraum wiederholt ab, ohne dabei die berücksichtigten Kosten der Unterkunft und Heizung zu verändern. Den Widerspruch wies der Antragsgegner im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 3. März 2012 als unbegründet zurück.
Am 21. Dezember 2011 hat der Antragsteller einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht Dessau-Roßlau gestellt. Er habe durch die Ausübung seines Umgangsrechts mit seinem Sohn einen erhöhten Wohnraumbedarf. Im Übrigen stellten die Mietwerterhebungen des Landkreises kein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dar.
Der Antragsteller beantragt,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller monatlich weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von EUR 76,50 ab Antragstellung bei Gericht zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Es sei nicht erkennbar, warum der Antragsteller von der Unschlüssigkeit der Erhebungen ausgeht.
Auf mehrfache Nachfrage des Vorsitzenden sah sich der Antragsgegner nicht in der Lage, in diesem Verfahren die erhobenen Daten zur Verfügung zu stellen. Außerhalb des gerichtlichen Verfahrens übersandte die ANALYSE & KONZEPTE Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien und Tourismus mbH, die die Mietwerterhebungen durchführte, die erhobenen Daten als passwortgeschützte Datei. Sowohl die Gesellschaft als auch der Landkreis als Auftraggeber erklärten jedoch ausdrücklich, diese Da...