Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage. Vorrangigkeit gegenüber der einstweiligen Anordnung bei Leistungsgewährung durch Dauerverwaltungsakt. Asylbewerberleistung. Rücknahme der Leistungsbewilligung. mündliche Anhörung. Einräumung einer Stellungnahmefrist. Rechtswidrigkeit der Leistungsbewilligung. Vorliegen einer Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG 2004
Leitsatz (amtlich)
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs nach § 86b Abs 1 S 1 Nr 2 SGG geht der Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs 2 SGG vor, wenn die Asylbewerberleistungen ursprünglich durch einen Dauerverwaltungsakt, insbesondere auch durch einen stillschweigend konkludenten Verwaltungsakt, gewährt worden waren.
2. Eine nach § 68 Aufenthaltsgesetz (juris: AufenthG 2004) abgegebene Verpflichtungserklärung führt nur dann zur nachrangigen Gewährung von Asylbewerberleistungen im Sinne von § 8 AsylbLG, wenn und soweit der Verpflichtungsgeber den Lebensunterhalt des Antragstellers tatsächlich sichert.
3. Auch bei einer mündlichen Anhörung nach § 24 SGB X ist dem Betroffenen eine Stellungnahmefrist einzuräumen.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 21. September 2018 gegen den Bescheid vom 12. September 2018 wird angeordnet.
Es wird festgestellt, dass der Bescheid über die Gewährung von Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt vom 15. August 2018 weiterhin seine Wirkung entfaltet.
Der Antragsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG).
Die Antragsteller haben die iranische Staatsbürgerschaft. Sie reisten im Januar 2018 mit einem deutschen Visum nach Deutschland ein, weil sie nach ihren Angaben den Iran wegen ihres christlichen Glaubens hatten verlassen müssen.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte mit Bescheid vom 27. Februar 2018 den Asylantrag der Antragsteller ab. Sowohl die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Asylanerkennung als auch der subsidiäre Schutz seien offensichtlich unbegründet. Abschiebeverbote lägen nicht vor.
Die Antragsteller wurden unter dem 8. August 2018 von der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in Halberstadt der Stadt Dessau-Roßlau zugewiesen.
Mit Bescheid vom 15. August 2018 gewährte die Antragsgegnerin den Antragstellern ab August 2018 Leistungen nach dem AsylbLG in Höhe von 366,78 Euro und ab September 2018 in Höhe von monatlich 575,40 Euro sowie Kosten der Unterkunft als Sachleistung. Ein Ende des Bewilligungszeitraums benannte die Antragsgegnerin nicht. Vielmehr heißt es in dem Bescheid: " Tritt eine Änderung nicht ein, erfolgt aufgrund stillschweigender monatlicher Neubewilligung die Weiterzahlung der Leistung in der in diesem Bescheid angegebenen Höhe ".
Die Antragstellerin zu 1) war schwanger. Der Geburtstermin wurde für Mitte Dezember 2018 berechnet. Die Antragsgegner gewährte mit einem weiteren Bescheid vom 15. August 2018 Erstausstattung bei Schwangerschaft in Höhe von 120,00 Euro und Erstausstattung bei Geburt in Höhe von 200,00 Euro als einmalige Beihilfen.
Die Ausländerbehörde der Antragsgegnerin leitete dem zuständigen Sozialamt der Antragsgegnerin am 17. August 2018 eine sogenannte Verpflichtungserklärung des Herrn A. R. (nachfolgend: Verpflichtungsgeber) vom 21. September 2017 zu. Mit dieser Erklärung verpflichtete sich der Verpflichtungsgeber, für den Lebensunterhalt der Antragstellerin zu 1) aufzukommen. Der Name des Antragstellers zu 2) ist in dieser Verpflichtungserklärung nicht genannt.
Laut eines Vermerks im Verwaltungsvorgang sprach der Antragsteller zu 2) am 28. August 2018 bei der Antragsgegnerin vor. Er gab an, den Verpflichtungsgeber nicht zu kennen. Ob ein Dolmetscher bei dem Gespräch zugegen war, lässt sich dem Aktenvermerk nicht entnehmen. Bei einem weiteren Gespräch am 6. September 2018 gab der Antragsteller zu 2) im Beisein eines Dolmetschers erneut an, den "Verpflichtungsgeber" nicht zu kennen. Er erhalte von diesem kein Geld. Seine Frau, die Antragstellerin zu 1), sei schwanger. Sie hätten kein Geld mehr. Die Wohnung könnten sie nicht verlassen.
Mit Bescheid vom 12. September 2018 stellte die Antragsgegnerin die " gewährten Grundleistungen nach § 3 Abs. 2 AsylbLG [ ] mit Ablauf des 30.09.2019 " ein.
Gegen diesen Bescheid legten die Antragsteller mit Schreiben vom 21. September 2018 Widerspruch ein.
Am 17. Oktober 2018 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Dessau-Roßlau einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Ihnen seien die ursprünglich gewährten Leistungen einschließlich der gewährten einmaligen Beihilfe zur Erstausstattung bei Schwangerschaft auszuzahlen. Sie seien hilfebedürftig. Die Antragsteller haben eine unterzeichnete eidesstattliche Versicherung des Antragstellers zu 2) vom 7. Januar 2019 vorgelegt. Darin...