Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesetzliche Rentenversicherung: Rente wegen Erwerbsminderung. Anforderungen an die Ermittlung der Erwerbsminderung. Bedeutung der Lage am Arbeitsmarkt für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente
Orientierungssatz
1. Eine Erwerbsminderung im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung ist nicht anhand einer bestimmten Erkrankung oder Diagnose zu ermitteln, sondern anhand von konkreten Funktionseinschränkungen quantitativer und qualitativer Art.
2. Besteht eine Erwerbsfähigkeit von mindestens sechs Stunden täglich, kommt es für die Frage, ob eine Rente wegen Erwerbsminderung beansprucht werden kann, nicht auf die konkrete Arbeitsmarktlage an. Vielmehr ist ein Rentenanspruch unabhängig von der Arbeitsmarktlage ausgeschlossen.
3. Einzelfall zur Beurteilung des Vorliegens einer rentenrelevanten Erwerbsminderung (hier: Erwerbsfähigkeit von mindestens sechs Stunden täglich festgestellt).
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Der am ...1971 geborene Kläger absolvierte von 1988 bis 1990 eine Ausbildung zum Facharbeiter für Tierproduktion, war danach bis 1991 als Tierpfleger, von 1991 bis 1995 als Heizungsmonteur, von 1996 bis 1999 als Trockenbaumaurer und in den Jahren 2000 bis 2001 als Trockenbaumaurer und Hausmeister beschäftigt. Derzeit ist er arbeitslos. Ein früheres, auf Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung gerichtetes Verfahren blieb ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 11. Juni 2008, Az.: S 1 R 196/07).
Der Kläger beantragte am 11. Januar 2013 bei der Beklagten erneut die Zahlung einer Rente wegen Erwerbsminderung
Die Beklagte lehnte den Antrag nach Einholung von aktuellen Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte mit Bescheid vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2013 ab und gab an, der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, da er mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsatzfähig sei.
Dagegen richten sich der Widerspruch vom 2. Juli 2013 und die am 11. November 2013 erhobene Klage, mit der der Kläger geltend macht, der Ablehnungsbescheid sei nicht hinreichend bestimmt, da er sich nicht mit den konkreten Beeinträchtigungen des Klägers auseinander setze. Er - der Kläger - halte sich für voll erwerbsgemindert, da er seit mehreren Jahren krank geschrieben sei und bereits bei körperlich leichten Belastungen im Alltag Beschwerden aufträten, die ihn zur Einlegung längerer Ruhepausen zwängen. Der Kläger leide unter Abnutzungserscheinungen der Wirbelsäule und Schmerzen in allen Bereichen der Wirbelsäule; außerdem unter rheumatischen Schmerzen in den Händen und Sprunggelenken sowie Einschränkungen in der Hüft- und Schulterbeweglichkeit.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27. Juni 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab dem 1. Februar 2013 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide für zutreffend.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten der den Kläger behandelnden Ärzte, nämlich des Psychiaters/Psychotherapeuten Dr. A ..., des Internisten/Rheumatologen Dr. S ..., des Neurochirurgen Dr. A ..., der Allgemeinmedizinerin DM S ... und der Internistin Dr. D ... Weiter hat das Gericht ein Gutachten der zur Sachverständigen ernannten Orthopädin DM W ... eingeholt. In ihrem Gutachten vom 14. April 2015 hat die Sachverständige folgende Erkrankungen diagnostiziert: Coxarthrose bds. 2-3° rechts ) links mit geringern Funktionseinschränkungen und Schmerzen, lokales cervicales, thorakales und lumbales Schmerzsyndrom mit Funktionseinschränkungen und chronischen Schmerzen bei muskulären Dysbalancen, chronifiziertes Schmerzsyndrom (in nahezu allen Gelenken) bei kaum nachweisbarem funktionellem und klinischem Defizit, vielfältige Allergien. Im Vordergrund stünden die nicht beeinflussbaren Schmerzen in nahezu allen Gelenken und in der Wirbelsäule. Abnutzungsleiden bestünden vorwiegend im Bereich beider Hüftgelenke. Viele geklagte Beschwerden, wie Schwellungen im Bereich der Beine und Hände sowie Bewegungseinschränkungen ließen sich nicht verifizieren. Im Ergebnis sei der Kläger für körperlich leichte, überwiegend sitzende Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in geschlossenen Räumen oder im Freien unter Witterungsschutz täglich mindestens sechs Stunden einsetzbar. Der Kläger müsse dabei Zwangshaltungen, Bücken, ständiges Stehen, langes Gehen (über 20 Minuten), Knien und Hocken, Überkopfarbeiten, Heben, Tragen von Lasten, Zugluft, Nässe, Temperaturschwankun-gen und Staubeinwirkung vermeiden. Als zumutbar in Betracht kämen beispielsweise leichte Sortier- oder Büroar...