Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschlägen
Orientierungssatz
Es unterliegt ernstlichen Zweifeln, ob der Sozialversicherungsträger berechtigt ist, zum gegenwärtigen Zeitpunkt allein auf Grundlage der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes vom 14. Dezember 2010, 1 ABR 19/10, BAGE 136, 302, im Hinblick auf einen etwaigen equal-pay-Anspruch nach §§ 10 Abs. 4, 9 Nr. 2 AÜG Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 in der in dem Bescheid vom 05.12.2011 festgestellten Höhe nachzuerheben und Säumniszuschläge festzusetzen.
Tenor
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 03.01.2012 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 05.12.2011 wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin sowie die Gerichtskosten in voller Höhe. Der Streitwert wird auf 24.410,10 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Anfechtungsrechtsbehelfs gegen einen auf § 28p des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) gestützten Bescheid, mit dem die Antragsgegnerin für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert und Säumniszuschläge erhoben hat.
Die Antragstellerin ist im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung tätig und war in dem og. Betriebsprüfungszeitraum im Besitz einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis gemäß § 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG).
In dem Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 wandte die Antragstellerin bei der Arbeitsentgeltberechnung für die beschäftigen Leiharbeitnehmer die zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP) und der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit (CGZP) vereinbarten Tarifverträge an und führte auf Grundlage der hiernach ermittelten Arbeitsentgelte Gesamtsozialversicherungsbeiträge ab.
Aufgrund einer im September 2009 durchgeführten Betriebsprüfung forderte die Antragsgegnerin nach erfolgter Anhörung durch Schreiben vom 30.09.2011 mit Bescheid vom 05.12.2011 für den Zeitraum vom 01.12.2005 bis zum 31.12.2009 Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschlägen gem. § 24 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Höhe von insgesamt 97.640,38 EUR nach. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin aus, seit dem 01.01.2004 habe der Gesetzgeber für den Bereich der Arbeitnehmerüberlassung den Grundsatz "equal pay" (gleicher Lohn für gleiche Arbeit) und das Gebot "equal treatment" (gleiche Arbeitsbedingungen) im Gesetz verankert (§ 10 Abs. 4 AÜG). Das AÜG sehe jedoch einen Ausnahmefall für das gesetzliche Gleichbehandlungsgebot vor. Existiere ein Tarifvertrag, der die Entlohnung der Leiharbeitnehmer regele, könne gem. § 9 Nr. 2 AÜG vom Gleichbehandlungsgrundsatz auch zum Nachteil des Leiharbeitnehmers abgewichen werden. Dies gelte nicht nur dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer tarifgebunden seien, sondern auch, wenn in Arbeitsverträgen die Geltung von Tarifverträgen vereinbart werde. Im Oktober 2008 sei von der Gewerkschaft Ver.di und dem Land Berlin ein Verfahren nach § 97 Abs. 1, 2 a Abs. 1 Nr. 4 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) zur Feststellung der Tarifunfähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen (CGZP) vor dem Arbeitsgericht Berlin eingeleitet worden. Mit Beschluss vom 01.04.2009 habe das Arbeitsgericht Berlin unter dem Aktenzeichen 35 BV 17008/08 die Tarifunfähigkeit der CGZP festgestellt. Dieser Beschluss sei auf die Beschwerde der dortigen Beklagten vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg am 07.12.2009 bestätigt worden. Die zum Bundesarbeitsgericht (BAG) erhobene Rechtsbeschwerde sei am 14.12.2010 (1 ABR 19/10) als unbegründet zurückgewiesen worden. Zur Begründung sei im Wesentlichen ausgeführt worden, dass die Mitgliedsgewerkschaften der CGZP nach ihrem satzungsgemäßigten Geltungsbereich nicht die Tariffähigkeit für die gesamte Zeitarbeitsbranche vermitteln würde. Die Bestätigung der Tarifunfähigkeit der CGZP durch das Bundesarbeitsgericht habe die Unwirksamkeit der von ihr geschlossenen Tarifverträge zur Folge. Damit komme es zur Anwendung des § 10 Abs. 4 AÜG und der Leiharbeitnehmer, der auf Basis eines CGZP-Tarifvertrages beschäftig sei oder gewesen sei, könne von dem Verleiher den Lohn beanspruchen, der im Betrieb des Entleihers für einen vergleichbaren Arbeitnehmer gezahlt werde. Beitragsbemessungsgrundlage für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge sei damit der Arbeitsentgeltanspruch eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers in dem Entleihbetrieb nach § 10 Abs. 4 AÜG.
Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 03.01.2012 Widerspruch, über den bislang nicht entschieden wurde. Zur Begründung dieses Anfechtungsrechtsbehelfes machte sie geltend, die Antragsgegnerin verkenne in ihrem Bescheid, dass nach derzeit überwiegender Auffassung der Landesarbeitsgerichte für die Zeite...