Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Anspruch auf Hörgeräteversorgung. bestmögliche Angleichung an das Hörvermögen Gesunder. Unbeachtlichkeit einer Festbetragsregelung
Orientierungssatz
Ein seit seiner Kindheit unter einer Taubheit rechts in Kombination mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit links leidender Versicherter mit einem prozentualen Hörverlust beidseits von 100 % hat einen Anspruch auf Erstattung der über die Versorgungspauschale hinausgehenden Kosten für eine Hörgeräte-Versorgung (vgl BSG vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R = BSGE 105, 170 = SozR 4-2500 § 36 Nr 2).
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 06.11.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.2008 verurteilt, die Kosten für die Anschaffung des Hörgerätes Siemens CIC Nitro entsprechend der Rechnung der Beigeladenen vom 24.07.2008 in Höhe von 2.100,00 Euro zu erstatten.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die über die Versorgungspauschale hinausgehenden Kosten für eine Hörgeräte-Versorgung zu übernehmen.
Der am 00.00.1966 geborene und bei der Beklagten gegen Krankheit versicherte Kläger leidet seit seiner Kindheit unter einer Taubheit rechts in Kombination mit einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit links. Der prozentuale Hörverlust beträgt beidseits 100 %. Seit seinem 3. Lebensjahr trägt er ein Hörgerät auf dem linken Ohr. Auf die Versorgung des schlechteren rechten Ohres wurde verzichtet. Seit seinem 18. Lebensjahr wurde er mit einem Gerät versorgt, bei dem die Elektronik in eine individuell angefertigte Hohlschale eingearbeitet und das in den Gehörgang eingeführt wird (sog. Im-Ohr-Gerät). Bereits in der Vergangenheit unternommene Versuche, das Resthörvermögen auf dem rechten Ohr zur reaktivieren, sind gescheitert, da der Kläger an das einseitige Hören gewöhnt ist.
Am 29.10.2007 stellte der Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde Dr.C eine Verordnung für eine Hörhilfe aus, da das bisher getragene Hörgerät den Hörverlust nicht mehr angemessen ausglich.
Der Kläger begab sich daraufhin zu der beigeladenen Firma für Augenoptik und Hörakustik L (im Folgenden: Beigeladene), die der Bundesinnung für Hörgeräteakustiker angeschlossen ist, und testete dort verschiedene Geräte im Rahmen einer beidohrigen Versorgung, wobei er laut Bericht der Beigeladenen vom 23.10.2007 die folgenden Ergebnisse erzielte:
Hörgerät Diskrimination ohne Störgeräusch Diskrimination mit Störgeräusch Gesamtkosten Siemens Centra S VC 100,00% 95,00% 5.400,00 EUR Oticon Syncro VC 90,00% 80,00% 4.471,00 EUR Siemens Cielo S 85,00% 75,00% 1.995,00 EUR Siemens Phoenix 213 80,00% 75,00% 828,88 EUR
Dem Kläger sind nach den Angaben der Beigeladenen ebenfalls zwei eigenanteilsfreie Geräte angeboten worden. Es handelte sich um HdO-Geräte der Firma Siemens (Infiniti Basic) und der Firma Oticon (GO Compact). Der Kläger erzielte hiermit ein Hörverstehen von 50 %, wobei die Beigeladene die Messungen hierzu erst auf Anfrage des Gerichts mitgeteilt hat. Nach der Testung empfahl die Beigeladene dem Kläger die Versorgung mit den Geräten der Fa. Siemens (Centra S VC).
Am 06.11.2007 wandte sich die Beigeladene an die Beklagte und zeigte die Versorgung des Klägers an. Mit Schreiben vom 06.11.2007 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie die vertraglich vereinbarten Kosten für die Hörgeräte i. H. v. 1.212,80 Euro übernehmen werde. Für diesen Betrag sei der Akustiker verpflichtet, dem Kläger zwei Hörgeräte entsprechend seiner Schwerhörigkeit eigenanteilsfrei anzubieten. Sofern der Kläger ein höherwertiges Gerät wähle, könne sich die Beklagte an den Mehrkosten für das Gerät oder spätere Reparaturen nicht beteiligen. Gegenüber der Beigeladenen erfolgte ebenfalls am 06.11.2007 die Genehmigung für das Hilfsmittel.
Hiergegen erhob der Kläger am 26.11.2007 Widerspruch und berief sich auf ein erläuterndes Schreiben der Beigeladenen vom 23.10.2007, worin diese ausführte, dass zwar ein Sprachverstehen mit fast allen Geräten bis zu einem gewissen Maß möglich war, sich bei der Testung aber Unterschiede ergäben hätten durch das subjektive Klangempfinden. Probleme seien mit fast allen Geräten in geräuschvoller Umgebung entstanden. Lediglich bei Einsatz der Geräte Siemens Centra sei ein gutes Sprachverstehen auch in geräuschvoller Umgebung möglich. Es sei daher nicht als das Maß des Notwendigen und Angemessenen überschreitend zu bezeichnen, wenn der Kläger für sich in Anspruch nehme, in schwierigen akustischen Situationen genauso am Gespräch teilnehmen zu wollen, wie ein normal Hörender.
Der Widerspruch wurde ohne weitere Ermittlungen von der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2008 zurückgewiesen. Sie führte zur Begründung aus, sie habe für eine wirtschaftliche und ausreichende Versorgung mit Hörgeräten Vertragspreise mit den Leistungserbringern vereinbart. Die Hörhilfen könnten daher lediglich im Rahmen der vereinbarten Versorgungspauschale...