Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Leistungen zur häuslichen Pflege. Anrechnung von Vermögen. selbstgenutztes Eigenheim als Vermögen. Verwertungspflicht bei Baufälligkeit eines Eigenheims

 

Orientierungssatz

Ein selbst genutztes Eigenheim, das aufgrund seines baulichen Zustandes nach den Maßstäben eines vernünftig handelnden Menschen nicht mehr zu Wohnzwecken genutzt werden kann, ist im Rahmen der Sozialhilfe als Vermögen vorrangig einzusetzen, da insoweit der Schutzzweck für die Einstufung als Schonvermögen - die Befriedigung des Grundbedürfnisses Wohnen - nicht mehr greifen kann.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren darum, ob die Klägerin von dem Beklagten die Gewährung zuschussweiser statt darlehensweiser Leistungen nach dem SGB XII beanspruchen kann.

Die Klägerin wurde am 00.00.1937 geboren. Sie ist schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100 sowie den Nachteilsausgleichen G, aG, B, H und RF. Von der Pflegeversicherung wurde ihr die Pflegestufe 2 zuerkannt. Sie ist Alleineigentümerin eines mit einem Wohnhaus bebauten Hausgrundstückes in der T Straße 000 in I-C N, das sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Herrn G C1, bewohnt. Das Haus wurde 1927 erbaut. Die Gesamtwohnfläche beläuft sich auf 178 Quadratmeter, wobei von der Klägerin und ihrem Ehemann derzeit lediglich die untere Etage mit einer Wohnfläche von ungefähr 100 Quadratmetern selbst genutzt wird.

Am 28.09.2010 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen der Hilfe zur häuslichen Pflege. In einer überschlägigen Wertauskunft vom 19.04.2011 ermittelte der Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Kreis Lippe und in der Stadt E einen Verkehrswert des Hausgrundstücks von 25.000 EUR.

Mit Bescheid vom 19.12.2011 gewährte der Beklagte aufgrund des Antrages der Klägerin vom 28.09.2010 darlehensweise Leistungen nach dem SGB XII im Rahmen der Hilfe zur häuslichen Pflege. Die Auszahlung erfolge nach Vorlage eines Nachweises der grundbuchlichen Sicherung. Die Klägerin sei Eigentümerin eines Hausgrundstückes, welches als Vermögen der zuschussweisen Leistungsgewährung entgegenstünde. Das Hausgrundstück habe einen Verkehrswert von 25.000 EUR. Es handele sich somit grundsätzlich um verwertbares Vermögen. Insbesondere handele es sich auch nicht um ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne des § 90 Abs. 1 Nr. 8 SGB XII. Ausweislich des Einheitswertbescheides des Finanzamtes handele es sich um ein Zweifamilienhaus, welches kein geschütztes Hausgrundstück im Sinne der genannten Vorschrift sei. Auch wenn man nicht von einem Zweifamilienhaus, sondern lediglich von einem Einfamilienhaus ausginge, handele es sich nicht um ein geschütztes Hausgrundstück. Hinsichtlich Grundstücksgröße und Verkehrswert sei die Angemessenheit zwar gegeben; die Wohnfläche des Gebäudes überschreite jedoch den Wohnbedarf der Bewohner erheblich. Angemessen sei für zwei Personen eine Wohnfläche von 90 Quadratmeter. Aufgrund der Pflegebedürftigkeit der Klägerin sei ein Zuschlag von 20 Prozent anzunehmen, so dass eine Wohnfläche von 108 Quadratmetern geschützt sei. Tatsächlich verfüge das Haus über eine Wohnfläche von 178 Quadratmeter. Dass die Klägerin und ihr Ehemann lediglich 100 Quadratmeter bewohnten, begründe keine Angemessenheit. § 90 Abs. 1 Nr. 8 SGB XII solle das Grundbedürfnis Wohnen sicherstellen; bei einem Haus mit einer Wohnfläche von 180 Quadratmeter werde diese zum Wohnen gerade nicht benötigt. Es liege auch keine unzumutbare Härte vor, die einer Verwertung entgegenstehen würde.

Hiergegen legte die Klägerin am 09.01.2012 Widerspruch ein. Das Haus in der T Straße 000 habe sie von ihrer Mutter geerbt, die ihrerseits den Vater der Klägerin beerbt habe. Das Haus sei 1968 von dem Vater der Klägerin gekauft worden und dann von der Klägerin, ihrem Mann und zwei, später drei Kindern bewohnt worden. Es handele sich nicht um ein Zweifamilienhaus. Die obere Etage sei nicht abgeschlossen. Deshalb sei auch eine Vermietung nicht möglich. Die Kinder seien nach und nach ausgezogen. Zwischenzeitlich habe die pflegebedürftige Mutter der Klägerin mit im Haus gewohnt. Seit etwa 1995 seien die Klägerin und ihr Ehemann allein in dem Haus und nutzten lediglich die untere Etage. Mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.2012 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 26.07.2012 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus: Ausweislich des Gesetzestextes seien verschiedene Faktoren entscheidend für die Frage der Angemessenheit des Hausgrundstücks. Der Beklagte stelle allein auf die Größe ab, nicht aber auf den Zuschnitt und die Ausstattung des Wohngebäudes sowie den Wert des Grundstücks und des Wohngebäudes. Dies entspreche nicht der Vorschrift des § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII. Zunächst einmal verfüge das Hausgrundstück nicht über einen Wert von 25.000 EUR. Der Bodenrichtwert liege bei 26 EUR pro Quadratmeter; somit liege der Grundstückswert bei 9.1...

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