Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Abrechnungsprüfung. Erforderlichkeit eines Gutachtens des MDK. nach Ablauf der Ausschlussfrist Beschränkung auf zur Verfügung gestellte Daten. Beteiligung eines Krankenhausarztes im vorherigen Verwaltungsverfahren gegenüber dem Versicherten. unterschiedliche Natur von Versicherungs- und Abrechnungsverhältnis
Leitsatz (amtlich)
1. Die Krankenkasse ist bei Abrechnungsprüfungen nach § 275 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB V verpflichtet, zur Notwendigkeit der Leistung eine gutachtliche Stellungnahme des MDK einzuholen. Dies gilt auch, wenn der MDK bereits im Verwaltungsverfahren gegenüber der Versicherten befasst war und mehrere Gutachten erstellt hat. Nach Ablauf der Ausschlussfrist des § 275c Abs 1 S 1 SGB V sind die Krankenkasse und der MDK auf die Daten beschränkt, die das Krankenhaus der Krankenkasse im Rahmen seiner Informationsobliegenheiten bei der Krankenhausaufnahme und zur Abrechnung zur Verfügung gestellt hat.
2. Nichts anderes folgt aus der Tatsache, dass ein Arzt des Krankenhauses bereits im Verwaltungsverfahren im Versicherungsverhältnis "beteiligt" war. Denn die Beteiligung des Krankenhauses in dem Versicherungsverhältnis ist nicht mit der Beteiligung im vorliegenden Abrechnungsstreit zu vergleichen. Dies folgt aus der unterschiedlichen Natur des Versicherungsverhältnisses auf der einen Seite und des Abrechnungsverhältnisses auf der anderen Seite.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.486,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.10.2020 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Vergütungsanspruch für eine Krankenhausbehandlung.
Die bei der Beklagten krankenversicherte Frau U T (im Folgenden: Versicherte) wurde in der Zeit vom 21.08.2020 bis 24.08.2020 wegen einer Adipositas stationär im Krankenhaus der Klägerin behandelt. Während des stationären Aufenthaltes erfolgte eine Schlauchmagenoperation.
Die Klägerin stellte der Beklagten für diese Behandlung Kosten i.H.v. 7.486,16 EUR in Rechnung. Die Beklagte zahlte den Betrag nicht und leitete kein Prüfverfahren durch den MDK ein. Mit Schreiben vom 01.09.2020 lehnte die Beklagte den Ausgleich der Rechnung ab. Sie berief sich auf ein zuvor durchgeführtes MDK-Prüfverfahren. Am 02.03.2020 hatte die Versicherte bereits selbst einen Antrag auf eine bariatrische Operation bei der Beklagten gestellt. Während des sich anschließenden Verwaltungsverfahrens wurde der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) seitens der Beklagten zweimal beauftragt. In Gutachten vom 08.04.2020 und vom 03.07.2020 wurde die Indikation für die beantragte Operation nicht bestätigt.
Gegen die Ablehnung des Ausgleiches der Rechnung hat die Klägerin am 22.02.2021 Klage erhoben. Sie ist der Ansicht, dass die medizinische Indikation in ihrem Krankenhaus nach allen Regeln der ärztlichen Kunst gestellt worden sei. Der bariatrische Eingriff sei ultima ratio gewesen. Präoperativ seien die konservativen Therapiealternativen erfolglos ausgeschöpft worden. Weitere erfolgsversprechende nicht-chirurgische Therapien hätten nicht zur Verfügung gestanden. Zudem sei der Prüfungsumfang vorliegend stark eingeschränkt. Indem die Beklagte es unterlassen habe, eine MDK-Prüfung nach § 275 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) einzuleiten, sei sie mit medizinischen Einwendungen präkludiert. Die Patientendokumentation unterliege einem Beweisverwertungsverbot. Eine bestandskräftige Ablehnung einer Krankenkasse gegenüber einer Versicherten berühre den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nicht (mit Verweis auf Urteil des Bundessozialgerichts [BSG] vom 11.04.2002, B 3 KR 24/01 R). Eine Befassung des MDK im Verwaltungsverfahren schlage nicht auf eine nachgelagerte Abrechnungsprüfung durch.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 7.486,16 EUR nebst Zinsen i.H.v. 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.10.2020 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass ein Vergütungsanspruch der Klägerin nicht bestehe und beruft sich auf die MDK-Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren. Ergänzend führt sie aus, dass diese Begutachtung ausreichend sei und sie nicht mit medizinischen Einwendungen präkludiert sei. Die Kostenübernahme einer Krankenhausbehandlung durch eine Krankenkasse hänge gemäß § 39 SGB V von der medizinischen Notwendigkeit ab. Vorliegend habe keine stationäre Behandlungsbedürftigkeit bestanden. Die Voraussetzungen für einen Eingriff am gesunden Organ seien nicht erfüllt. Ferner weist sie darauf hin, dass im hiesigen Fall ein entscheidender Unterschied zu dem Fall, den das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Az. L 11 KR 2846/19, entschieden hat, bestehe. Denn im hiesigen Fall habe der Chefarzt der Klägerin auch im Widerspruchsverfahren im Verwaltungsverfahren gegenüber der Versicherten T schon eine Stellungnahme zu der medizinischen Indika...