Entscheidungsstichwort (Thema)
Kranken- und Pflegeversicherung. Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus einer als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Die zum 1.1.2004 mit dem GKV-Modernisierungsgesetz - GMG - vom 14.11.2003 (BGBl I 2003, 2190) eingeführte Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus der betrieblichen Altersversorgung in der Kranken- und Pflegeversicherung (hier: aus einer im Jahr 1984 als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherung) gem § 229 Abs 1 S 3 SGB 5 idF vom 14.11.2003 verstößt nicht gegen das Grundgesetz.
2. Jede Kapitalleistung, die zum 1.1.2004 - und damit mit Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung - fällig geworden ist und als Versorgungsbezug zu werten ist, weil sie an Stelle von Arbeitseinkommen oder -entgelt tritt, unterliegt der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung. Damit unterliegen - im Unterschied zur früheren Rechtslage - ab dem 1.1.2004 auch Versicherungsleistungen, die von vorn herein als einmalige Kapitalabfindungen vereinbart oder zugesagt worden sind, der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung.
Nachgehend
Tenor
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erhebung von vollen Krankenversicherungsbeiträgen auf eine Kapitalauszahlung einer Direktversicherung.
Die 1939 geborene Klägerin ist seit August 1999 als Rentnerin bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Am 24.02.1984 wurde bei der F-AG eine Kapitalversicherung zu Gunsten der Klägerin abgeschlossen. Versicherungsnehmer war der damalige Arbeitgeber der Klägerin, die Firma E AG, X. Das Ende der Versicherung wurde auf den 01.01.2004 festgelegt. Bis zum 31.07.1999 wurden die Beiträge zur Versicherung durch den Arbeitgeber getragen; ab dem 01.08.1999 durch die Klägerin allein. Der Klägerin wurde am 16.12.2003 von der F-AG ein Betrag in Höhe von 23.163,73 EUR aus der Versicherung ausgezahlt. Hierüber wurde die Beklagte im März 2004 informiert.
Mit Bescheid vom 08.04.2004 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Versicherungsleistung der Beitragspflicht der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterliege. Für die Beitragsberechnung werde die Kapitalauszahlung auf 120 Monate umgelegt und ergebe so eine monatliche Zahlung von 196,02 EUR. Unter Berücksichtigung eines allgemeinen Beitragssatzes zur Krankenversicherung von 13,6 v. H. und dem Beitragssatz zur Pflegeversicherung von 1,7 v. H. seien monatliche Beiträge von 26,26 EUR für die Krankenversicherung und 3,28 EUR für die Pflegeversicherung zu leisten.
Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt. Sie vertritt die Ansicht, dass die Erhebung von Krankenversicherungsbeiträgen auf Auszahlungen einer Kapitalversicherung gegen Art. 3 und 14 des Grundgesetzes (GG) verstoße. Ebenso sei der Vertrauensschutzgrundsatz des Art. 20 GG verletzt. Die am 01.01.2004 in Kraft getretene Gesetzesänderung widerspreche dem Willen des Gesetzgebers zur Stärkung der betrieblichen Altersvorsorge.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2004 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die Kapitalleistung sei als Rente der betrieblichen Altersvorsorge zu sehen, die nach § 229 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) beitragspflichtig sei. Da die Lebensversicherung zum 01.01.2004 fällig geworden sei, müsse auch eine Einmalzahlung in die Beitragspflicht einbezogen werden. Irrelevant wäre, dass die Klägerin ab August 1999 die Beiträge zur Lebensversicherung alleine getragen habe.
Am 27.07.2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt sie ihre verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 229 SGB V in der ab dem 01.01.2004 geltenden Fassung.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 08.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2004 aufzuheben, hilfsweise die Sprungrevision zuzulassen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich zur Begründung auf ihre Ausführungen aus dem Vorverfahren. Der Einlegung und Zulassung der Sprungrevision werde zugestimmt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen. Die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die zulässig Klage ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 08.04.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.2004 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in ihren Rechten.
Die Beklagte hat die maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 22.07.2004 zutreffend dargelegt und unter Anwendung dieser Grundlagen rechtsfehlerfrei entschieden, dass die Kapitalauszahlung der F-AG in Höhe von 23.163,73 EUR einen beitragspflichtigen Versorgungsbe...